Zu Besuch im Stellwerk der bremischen Hafeneisenbahn

 

Matthias Kühl, 61, lächelt. Er sitzt im Pausenraum mit Kochnische, im Erdgeschoss des Stellwerks der Bremischen Hafenbahn. Es ist ein Mittwoch im August. Draußen ist es sommerlich, hier drinnen kann man es gut aushalten. Es ist ein Ort, an dem man den angebotenen Kaffee getrost „schwarz wie die Seele“ trinken kann und wo an den Fenstern wenige Wochen nach der EM noch Zeugnisse der vergangenen Fußballmeisterschaft hängen. Sie bringen etwas Farbe in den bescheidenen Pausenraum. Das Gebäude ist schon älter, aber seit Januar 2023 sind hier neuerdings die bremenports-Kollegen untergebracht. Vor Ort arbeiten insgesamt acht Kollegen, zwei Bezirksmeister, zwei Meister, zwei Inspekteure, ein Lagerist sowie Matthias Kühl.

 

 

Matthias Kühl vor dem Stellwerksgebäude. Die rustikale Einrichtung haben die Kollegen selbst zusammengezimmert - natürlich aus Schwellenholz.

Die Bahnmeisterei hat die Aufgabe, Sorge zu tragen, dass möglichst alle Gleisanlagen ständig befahren werden können. Hierzu werden die Anlagen inspiziert und alle erforderlichen Gleisumbauten und -erneuerungen koordiniert und auch begleitet. Für die Umbauarbeiten selbst gibt es mehrere Rahmenvertragsfirmen, die das ganze Jahr für die Bahnmeisterei im Einsatz sind. Aber auch die Durcharbeitung der bestehenden Anlagen in oberbau- bzw. oberbauschweißtechnischer Hinsicht ist ein weiteres Feld, das die jungen Kollegen um Matthias Kühl betreuen. Wer Kühl eine Weile zuhört, merkt schnell, dass er vertraut ist mit dem komplexen System Bremer Hafenbahn mit seinen Köpfen, Notwendigkeiten und Herausforderungen. Kühl ist klar und macht klare Ansagen. Sein Gegenüber lässt er geduldig ausreden.

Kilometerweise Verantwortung

Das Team Oberbau startet hier in der Regel montags mit einer Besprechung in die Woche, wenn nicht gerade zeitkritische Projekte anstehen, die auch mal am Wochenende oder rund um die Uhr abgearbeitet werden. „In aller Regel setzen wir uns morgens zusammen und besprechen was anliegt“, sagt Kühl. „Montagmorgen ist zum Beispiel der Umbau der Weichen 102 und 104 losgegangen. Darum kümmern sich die Meister bzw. Bezirksmeister und begleiten das draußen. Vorhin bin ich natürlich auch mal draußen gewesen und habe geguckt, ob das alles läuft.“ Gerade stehen Frei- und Rückschnittarbeiten an Bäumen und Sträuchern an, bei denen auch ein Unimog zum Einsatz kommt. Denn das Wachstum der Bäume und Büsche an den Gleisanlagen macht im August tüchtig Strecke. Laufend werden Bestand und Strecken überprüft und gewartet. „Wir haben hier ungefähr 100 Kilometer Gleis und 300 Weichen am Standort Bremen. Die werden im Jahr zweimal begangen, also visuell begutachtet und bei einem Begang auch gemessen.“ Eine Daueraufgabe: Gleisschwellen auswechseln. Denn das Material altert und würde irgendwann nicht mehr zuverlässig seinen Dienst tun. Dabei geht es oft um wenige Millimeter. Zuvor war dafür im Auftrag von bremenports ein Dienstleister zugange.

 

 

Um rund 100 Kilometer Gleis kümmern sich die Kollegen.

Feuertaufe für ein junges Team

Die erste größere zeitkritische Maßnahme, die das junge Team von bremenports selbst übernommen hatte, war 2023 in der Überseestadt. „Das war unsere Feuertaufe“, sagt Kühl. „Dort haben wir eine Weiche ausgewechselt mit dahinter liegenden Gleistragplatten. Und da war die Rolandmühle für die Bauzeit komplett abgeschnitten. Da mussten wir sehen, dass wir zügig da durchkommen.“ Die Gleis- und Weicheninspektion läuft programmbasiert. „Die Jungs laufen mit ihrem Fahrzeug los messen die Anlagen und geben das dann gleich ins Tablet ein. Anschließend wird das auf den Rechner überspielt. Und ich habe dann die Aufgabe, das zu kontrollieren.“ Ob an einem Gleis, oder einer Weiche dann etwas passieren muss, kommt darauf an, wie groß die Fehler sind. „Das ist nach Fehlerklassen festgelegt. Fehlerklasse 4 ist gering und bei Fehlerklasse 1 musst du in aller Regel sofort tätig werden. Sperren oder umgehend beheben.“ Die Verantwortung liegt letztlich bei Matthias Kühl. „Ich bin der Anlagenverantwortliche.“ Ob Sofortmaßnahme oder mittelfristige Sanierung, der Betrieb soll so wenig wie möglich gestört werden. Und die Entscheidung, wann was angepackt wird, treffen die Kollegen nicht spontan aus dem Bauch heraus. Dafür ist die Verkehrsader Gleis zu wichtig für den Hafen. Den Betrieb auf den Gleisen macht die DB InfraGO, die ehemalige DB Netz. „Da sind wir immer stark aufeinander angewiesen, um den besten Zeitpunkt zu finden. Dafür haben wir extra einen Bau-Betriebskoordinator. Der sitzt dann ja in Bremerhaven. Ist aber auch hierfür zuständig.“

Eingelagerte Schwellen der Hafenbahn. Hier in der getränkten Version.

Einige Kilometer weiter in der Vorstellgruppe Grolland im Einfahrtbereich arbeitet sich gerade im Auftrag von bremenports eine Kolonne von Gleisarbeitern vor: Einer im Bagger, die anderen im Gleis, dabei ist natürlich auch immer die Sicherung, die dafür sorgt das kein Arbeiter in die noch befahrenen Gleise tritt. Im Hintergrund bringt eine Lok gerade einen Zug vom Hafen rein. Die Kolonne pausiert kurz, um dann rasch weiterzuarbeiten. Ein neuralgischer Punkt. „Die Ein- und Ausfahrbereiche und die Durchfahrgleise müssen immer frei sein“, sagt Matthias Kühl. „Wenn du in den Hafen gar nicht reinkommst, ist es natürlich Essig.“ Matthias Kühl erklärt das Prozedere für den 70 Meter langen Gleisabschnitt. „Wir bauen erst mal die alten Weichen aus und die Verbindung zwischen den Weichen. Die neuen werden dann hergebracht und eingebaut. Wir nehmen den Oberschotter raus. Der wird hinterher als Unterschotter wieder eingebaut, wenn dieser noch zu gebrauchen ist.“ Das zweite Gleis, auf dem noch Verkehr rollt sieht anders aus. Der Laie braucht einen zweiten Blick, um zu erkennen woran das liegt. „Jetzt ist hier Beton drin“, sagt Kühl. „Vorher war das hier ja noch alles Holz.“ Ein Klassiker für Kühl und Kollegen. „In der Vergangenheit wurden hier in Bremen viele Holzschwellenweichen erneuert, also die Schwellensätze. Aber da waren ungetränkte Holzschwellen verbaut. Die haben eine deutlich kürzere Lebensdauer als getränkte Holzschwellen. Früher waren die mit Teeröl getränkt. Die haben locker 25-30 Jahre gehalten.“ Welche Arten von Schwellen heutzutage verbaut werden, kann man wenige Autominuten vom Stellwerk entfernt erfahren, wo Stapel aus getränkten schwarzen Schwellen in der Sonne glänzen, daneben Stapel hellgrauer Betonschwellen.

Ein besonderes Team

Matthias Kühl parkt das Auto vor dem Stellwerk und zeigt auf eine lange Tafel, gesäumt von massiven Bänken aus Schwellenholz, die überaus wetterfest wirken. „Die haben wir hier in der Werkstatt selbst gebaut.“ Matthias Kühl ist 61, die meisten seiner Kollegen deutlich jünger. Er hat damals auch schon auf dem Bau gearbeitet und weiß wie es ist, in der Kolonne zu arbeiten. Ob es einen Teamspirit gibt? „Unbedingt. Du hast zum Beispiel auch eine WhatsApp-Gruppe, da sind nur die Kollegen der Bahnmeisterei drin, wo du auch dann am Wochenende abends um 23 Uhr mal was schreibst. Wäre das allein auf das Berufliche beschränkt, würdest du sagen, 16 Uhr Dienstschluss. Aber wir haben schon bei mir im Garten gesessen, gegrillt, waren mal abends mit der kompletten Mannschaft hier, fahren auf den Weihnachtsmarkt zusammen. Wir sind ein Team. Freitag, Samstag und Sonntag essen wir auch schon mal zusammen, hauen was auf den Grill. Das macht Spaß.“ Matthias Kühl lächelt. „Ich glaube nicht, dass man das so irgendwo in anderen Abteilungen findet.“