Ein Blick hinter die Kulissen des Logistikpioniers ESF
Seit über 160 Jahren behauptet sich die Friedrich Ellmers Shipping & Forwarding (ESF) in einer Branche, die sich stetig wandelt. Aber wie gelingt es dem Bremer Familienunternehmen, Traditionen zu bewahren und sich gleichzeitig zukunftsfähig aufzustellen? Wer den Wurzeln von Friedrich Ellmers Shipping & Forwarding (ESF) nachspüren möchte, wird in den Lagerhallen fündig: Hier wird auf rund 20.000 Quadratmetern Rohtabak gelagert, der seit der Gründung im Jahr 1856 eine zentrale Rolle spielt und bis heute mit etwa 40 bis 50 Prozent maßgeblich zum Umsatz beiträgt. „Es gibt hierzulande nur noch wenige tabakverarbeitende Unternehmen in Deutschland, viele davon arbeiten in Nischenmärkten und wir sind stolz, deren Partner sein zu dürfen, da wir über das fachliche Know-how verfügen“, berichtet Geschäftsführer Tobias Wetteborn. „Unsere zwei Hauptkunden gewinnen Marktanteile mit Zigaretten ohne Zusatzstoffe“ Der Tabak stammt aus Ländern wie Malawi, Tansania und Brasilien sowie Indonesien und wird in den Hallen im Bremer Stadtteil Walle unweit der Weser gelagert. Neben der Lagerung übernimmt ESF auch den Transport und die Qualitätskontrolle.
Schädlingskontrolle ist bei Tabak unerlässlich
Nach der Entladung wird der Tabak zunächst gewogen und auf Qualität geprüft: „Bei Zigarrentabak wiegen wir jeden Ballen einzeln, bei Zigarettentabak erfolgt dies nach Kundenwunsch“, erläutert Wetteborn. Entscheidend ist die anschließende Kontrolle auf Schimmel, Schädlinge wie den Tabakkäfer (Lasioderma) und andere Mängel. „Es gibt bei uns eine Null-Toleranz-Grenze für Tabakkäferbefall. Container mit befallener Ware werden sofort zu einem Begasungspartner weitergeleitet, um die gesamte Lagerware zu schützen.“
Diese Maßnahmen werden immer wichtiger, da der Klimawandel das Risiko eines Befalls deutlich erhöht hat. „In den vergangenen Jahren haben wir vermehrt Schädlinge beobachtet, die zudem resistenter werden. Dadurch sind unsere Kontrollen wichtiger denn je“, fügt Wetteborn hinzu.
Aber nicht nur die Vermeidung von Schädlingsbefall, sondern auch die Lagerung des Rohtabaks, der hier in Säcken und Kartons, aber auch Gebinden aus Bananenblättern auf Papierschichten gestapelt wird, ist durchaus anspruchsvoll: Schließlich können Feuchtigkeit, Temperatur und Gerüche die Qualität und das Aroma stark beeinträchtigen. „Bis zu seinem Verkauf nach drei bis 36 Monaten muss der Tabak atmen können“, erläutert der Geschäftsführer.
Vorfinanzierung der Einfuhrumsatzsteuer schafft Wettbewerbsnachteile
Neben Tabak zählen Baumwolle und Polyester zu den Hauptprodukten, die auf weiteren 10.000 Quadratmetern gelagert werden. „Früher gab es 30 baumwollverarbeitende Betriebe in Bremen. Heute sind es nur noch wenige in Deutschland“, berichtet Wetteborn.
Und auch für den Logistiker gibt es eine Herausforderung: Während Importeure in Deutschland die Einfuhrumsatzsteuer direkt bei der Wareneinfuhr entrichten müssen – was zusätzliche Kosten verursacht und die Liquidität der Unternehmen belastet – wird diese Steuer in anderen EU-Mitgliedsstaaten wie Belgien und den Niederlanden ohne Vorfinanzierung umgesetzt. „Das macht diese Länder für Importeure deutlich attraktiver und stellt uns vor strukturelle Wettbewerbsnachteile“, erläutert der Geschäftsführer.
Gelagert werden beide Produkte, sowohl Baumwolle als auch die Faserprodukte, in Ballen. Bei der Baumwolle ist das Wiegen unerlässlich, wofür alte Dezimalwaagen eingesetzt werden. „Die modernen Wagen sind viel zu anfällig“, erklärt Wetteborn. Unter UV-Licht wird die Qualität anhand von Mustern der 1872 gegründeten Bremer Baumwollbörse geprüft und beurteilt. Auch eine Biozertifizierung gehört zum Portfolio des Unternehmens.
Ein weiteres Geschäftsfeld umfasst chemische Produkte und Gefahrgut, darunter Farbpulver und Nahrungsergänzungsmittel für Tiere, wofür 10.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen. Neu hinzugekommen sind Stahlgestelle für Solaranlagen. „Wir kümmern uns um den Umschlag über Bremerhaven und Hamburg. Eine eigene Lkw-Flotte haben wir nicht, aber unsere 15 Stapler und neun Lagerhallen reichen aus“, so Wetteborn.
Herausforderung: Nachfolge, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Nachwuchs
ESF steht derzeit mit den Themen Nachfolge, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Nachwuchs vor vier zentralen Herausforderungen. Nach dem Tod von Klaus Wolthoff, der das Unternehmen über Jahrzehnte prägte, hat seine Tochter Anke Wolthoff-Osmers 2023 die Leitung übernommen und Wetteborn als Geschäftsführer eingesetzt, um das eigenfinanzierte Familienunternehmen zukunftssicher aufzustellen.
Der erfahrene Logistikmanager will vor allem die langjährigen Kundenbeziehungen pflegen, neue Geschäftsfelder erschließen und die Mitarbeiter halten. Mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren hat das Unternehmen ein stabiles Team, bildet jedoch auch Nachwuchs aus. „Aus meiner Sicht ist Personal das Thema der Zukunft“, unterstreicht Wetteborn. Derzeit beschäftigt das Unternehmen daher drei Lehrlinge und hat digitale Bewerbungsprozesse eingeführt, was zu deutlich mehr Rückmeldungen führte. Teilzeitmodelle und die Viertagewoche sind bereits seit vielen Jahren etabliert.
Eine Schlüsselrolle spielt auch die Digitalisierung: Zeiterfassung, Rechnungsabläufe und das Schädlingsmonitoring wurden bereits modernisiert, weitere Projekte wie eine digitale Wareneingangskontrolle sind in Planung. Gleichzeitig arbeitet ESF daran, Kapazitäten zu schaffen und die Lagerhallen zu modernisieren, um bis 2025 weiteres Wachstum, insbesondere bei Chemieprodukten und Solartechnik, zu ermöglichen. „Ohne Digitalisierung hätten wir keine Zukunft“, betont Wetteborn, der entschlossen ist, die Tradition des Unternehmens mit Innovation zu verbinden.
Fakten Friedrich Ellmers Shipping & Forwarding (ESF):
Gründung: 1856
Firmenstandort: Bremen
Geschäftsfeld: Lagerung, Kommissionierung, Qualitätskontrollen, Zollabfertigung und Transportmanagement
Lagerfläche: insgesamt 40.000 Quadratmeter in zehn (meist eigenen) Hallen
Equipment: 15 Stapler
Umschlag: rund 70 Container pro Woche im Projektgeschäft
Mitarbeiter: 40, darunter 3 Auszubildende
Umsatz 2023: 7 Millionen Euro
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