Autonome Lkw operieren bisher nur auf abgeriegelten Testarealen. Das Bremer Projekt „AUTOGVZ“ soll das nun ändern. Ab 2026 sollen automatisierte, teleoperativ begleitete Trucks erstmals auf öffentlichen Straßen des Güterverkehrszentrums (GVZ) Bremen rollen. Geplant ist ihr Einsatz zwischen dem Logistikzentrum C3 der BLG in der Senator-Mester-Straße und dem ebenfalls zum Bremer Logistikkonzern gehörenden Packschuppen in der Georg-Henschel-Straße und dem Leercontainerdepot von Roland Umschlag in der Ludwig-Erhard-Straße.
Das GVZ ist nach Ansicht von Thomas Nobel, Geschäftsführer der Deutschen GVZ-Gesellschaft und des Verbundkoordinators to-be-now-logistics-research, ideal dafür geeignet: Zwar verzeichnen die Straßen dort täglich rund 20.000 Fahrzeugbewegungen – je 10.000 im Güterverkehr sowie durch Busse und Pkw –, doch da es sich um öffentlichen Raum ohne Durchgangsverkehr handelt, nutzen ihn praktisch nur Beschäftigte und Nutzfahrzeuge. „Gefährdete Gruppen sind hier nicht unterwegs“, so Nobel. „Selbst wer hier mit dem Rad unterwegs ist, weiß um die Verkehrsbedingungen.
Dennoch birgt die rund drei Kilometer lange Strecke einige Herausforderungen. „Derzeit nehmen wir mit Kameras an den Kreuzungspunkten Abbiegesituationen als Basis für unsere Simulationen und die anschließende Risikoanalyse für neuralgische Punkte auf“, berichtet Nobel. Ein Beispiel: „Ab und zu parken auf der Strecke zum C3 Fahrzeuge im Straßenraum“, weiß Nobel.
„Sowohl ZF als auch die Reederei möchten, dass das Handling in einer Hand verbleibt“, so Christoph Holtkemper, Geschäftsführer der Bremer Roland Umschlagsgesellschaft für kombinierten Güterverkehr, auf deren Gelände sich das Leercontainerdepot befindet. „Daher mussten wir erst einmal analysieren und dokumentieren, wer wann wen informiert.“ Dabei geht es sowohl um die administrative Seite als auch um die tatsächliche Fahrt zum Packschuppen: „Dazu gehören viele Detailprozesse mit Beteiligung von Menschen – von der Anmeldung und das Heranfahren an die Rampe, über das Türöffnen und Abkuppeln durch den Fahrer bis zum Aufstellen des Containers, dem Schließen der Tür und dem Verplomben.“
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Götting als Projektpartner klären alle technischen sowie rechtlichen Fragen der Umsetzung. „Das Fahrzeug, ein Actros, ist von Götting bereits in einem anderen Projekt entwickelt worden, erhält aber noch mehr Sensortechnik“, berichtet Nobel. Die Zulassung liegt vor und erste Techniktests wurden erfolgreich durchgeführt. Dabei wird das technologische Konzept weiter verfeinert – zum Beispiel wird geprüft, welchen Anteil die Teleoperation am Gesamtbetrieb haben soll. Dazu ist die Umrüstung eines weiteren Fahrzeugs geplant. Ab Herbst 2026 sollen weitere Tests auf dem Firmengelände von Roland Umschlag stattfinden.
Level Up bis 2026
Auf den beiden Strecken kommen die automatisierten Trucks jedoch erst ab Ende 2026 zum Einsatz: Zunächst folgt eine automatisierte Zugmaschine mit Containerchassis im Verbund (Platoon) einer konventionellen Sattelzugmaschine und wird dabei teleoperativ überwacht. „Erst zu einem späteren Zeitpunkt ist eine Erweiterung auf Level 4 geplant“, berichtet Nobel. Hierbei übernimmt das Fahrzeug sämtliche Fahraufgaben – inklusive Lenkung, Beschleunigung und Bremsen. Ein menschlicher Fahrer muss nicht eingreifen, darf aber noch zur Überwachung an Bord sein. Es werden ausschließlich Leercontainer transportiert, da aufgrund der Förderung für die Projektlaufzeit kein kommerzieller Betrieb erlaubt ist.
Voraussetzung für den Testbetrieb sind zwei Genehmigungen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA). „Unser Ziel ist, 2026 zunächst die Erprobungsgenehmigung und parallel dazu anschließend die Betriebserlaubnis für den Regelbetrieb zu erhalten“, so Nobel. Möglich sei hier, dass diese etwa Einschränkungen für Fahrten bei Nebel beinhaltet.
Erfahrungen mit solchen Genehmigungen gibt es bisher kaum. Schließlich ist Deutschland ist mit dem bereits 2021 in Kraft in getretene Gesetz zum autonomen Fahrten weltweit Vorreiter. Als erster Staat hat die Bundesrepublik einen gültigen Rechtsrahmen für Fahrzeuge der Stufe 4 im öffentlichen Straßenverkehr geschaffen und überführt damit autonome Fahrzeuge aus der Forschung in den Alltagsbetrieb.
Herausforderung Sensorik
Zu den größten Herausforderungen zählt laut Nobel die technische Ausstattung. Das betrifft etwa die Sensoren und ihre Leistung, den Bedarf an Funkmasten und GPS. Fest steht bereits, dass die Fahrzeuge mit einer reduzierten Geschwindigkeit von maximal 30 Stundenkilometer unterwegs sein werden.“ Schließlich muss auf einer Entfernung von 50 Meter eine Kaffeetasse erkannt und mithilfe der Funklösung sichergestellt werden, dass der Lkw anhält, wenn ein vorfahrendes Fahrzeug plötzlich mit Warnlicht stehen bleibt.
„Ich möchte das GVZ weiterentwickeln und setze deshalb auf innovative Ansätze“, erklärt Holtkemper. Während ein konventioneller Lkw sechs bis sieben Touren pro Schicht absolviert, kommen autonome Trucks ohne Pausen auf zehn bis zwölf Fahrten. Ein tragfähiges Geschäftsmodell ist dabei unerlässlich: Automatisierte Lkw müssen sich technisch und wirtschaftlich nahtlos ins bestehende System einfügen. Kosten und Erträge müssen im Einklang stehen, um das Verfahren auch an weiteren deutschen GVZ-Standorten einzuführen.
Außerdem gibt es auf dem Weg zum Packschuppen in der Georg-Henschel-Straße eine Bedarfsampel, die bisher ausschließlich für die dort verkehrende Buslinie genutzt wird. „Wir haben hier im Unterschied zu einem Forschungsprojekt – reale Bedingungen“, so der Geschäftsführer. Das Ziel aber ist definiert: Das System soll funktionieren, damit die geplanten 100 Transporte, die auf diesen beiden Strecken täglich stattfinden, künftig automatisiert durchgeführt werden können.
Damit dies gelingt, wurde zunächst eine SWOT-Analyse durchgeführt – ein Planungsinstrument, dessen Akronym für Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken) steht. So wurden etwa unterschiedliche Abläufe in der Auftragserfassung für die Kunden – der Friedrichshafener Technologiekonzern ZF und Mercedes beziehungsweise die beteiligten Reedereien – durchgeführt. „Wir mussten ja zunächst wissen, wie viele Container pro Woche wann und wohin zugeführt werden“, erläutert Nobel. Dazu gehöre auch die Kontrolle der Container, die gegebenenfalls zur erforderlichen Reinigung oder Reparatur führt.
Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) fördert das Projekt „AUTOGVZ“ zur Automatisierung von Lkw-Verkehren im Güterverkehrszentrum Bremen mit 3,6 Millionen Euro. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen als Blaupause für einen späteren Roll-out in weiteren Güterverkehrszentren. Verbundkoordinator ist to-be-now-logistics-research-gmbh. Projektpartner sind LUB Consulting, Roland Umschlagsgesellschaft für kombinierten Güterverkehr, Götting und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Die Deutsche GVZ-Gesellschaft (DGG) ist als assoziierter Partner in das Projekt eingebunden. Assoziierte Partner sind Aebi Schmidt Deutschland aus St. Blasien, BLG Industrielogistik aus Bremen, die Deutsche GVZ-Gesellschaft aus Bremen, Emons-Rail-Cargo aus Dresden, das GVZ JadeWeserPort-Marketing aus Wilhelmshaven die Handelskammer Bremen ‑ IHK für Bremen und Bremerhaven, die Gesellschaft Mafi Transport-Systeme aus Tauberbischofsheim, die Senatorin für Bau, Mobilität und Stadtentwicklung aus Bremen und die Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation aus Bremen. Das Vorhaben ist im Januar 2025 gestartet und läuft noch bis Juni 2027.
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