„In Krisen Köpfe kennen“

Christian von Deetzen ist Teamleiter Deiche bei bremenports und bei Sturmflut einer von fünf Einsatzleitern bei bremenports. Im Interview spricht er darüber, was bei einer Sturmflut hinter den Kulissen passiert und wie Hochwasserschutz an der Küstenlinie funktioniert.

Potraitfoto von Christian von Deetzen in einer blau-orangenen bremenports Jacke.

Sturmflut

  • Die Saison: 1. Oktober bis 30. April
  • Die Alarmstufen:
    • Alarmstufe 1 – ab  2,00 über Normal
    • Alarmstufe 2 – ab 2,50 über normal
    • Alarmstufe 3 – ab 3 m über normal

Interessante Links:

Hochwasserschutz bei bremenports 

Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie

Magazinartikel Katastrophenschutzübung

Sturmflut in der Bildergalerie

 

Herr von Deetzen, vor dem Hintergrund des Hochwassers in Bremen und Niedersachsen stellt sich vielen die Frage, wie sicher unsere Deiche an der Küste sind.

Das ist verständlich. Aber das sind natürlich auch verschiedene Phänomene. Im Binnenbereich ist es ja vor allem auf Schneeschmelze und Niederschläge zurückzuführen, dass in kurzer Zeit viel Wasser in Flüsse und Talsperren gelangt ist, welches zu den Überflutungen geführt hat. Im Küstenbereich wie hier in Bremerhaven ist das was anderes. Hier halten uns Sturmfluten auf Trab.

Sturmflut ist, wenn der Wind das Wasser während der Flut lange aufs Land drückt und so staut, dass die Pegel über dem normalen Flutpegel steigen. Das passiert hier in Bremerhaven vor allem bei anhaltendem Sturm aus Richtung Nordwest.

Die letzte Sturmflut war kurz vor Weihnachten. Wie lief das ab?

Wir von bremenports sind mit dem Hochwasserschutz und dem Sturmflutnotdienst beauftragt. Das heißt, wir verfolgen dauernd die Vorhersagen vom BSH, also vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie und dem NLWKN, also dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, um entsprechend reagieren können, wenn wir denn müssen. Das haben wir in den Tagen zuvor schon beobachtet.

Es gibt beeindruckende Bilder von der vergangenen Sturmflut. Ist da im Vorfeld nicht auch ein bisschen Nervosität im Spiel?

Ich bin seit fünf Jahren schon dabei, aber so ganz kalt lässt einen das nicht. Vor allem war das jetzt mit 2,69 Meter über Normal jetzt meine bisher höchste Sturmflut. Aber zum einen muss man sachlich an die Sache herangehen und wir haben ja die Sturmflutordnung, also einen festen Plan mit Vorgaben, welche Maßnahmen wir wann ergreifen müssen. Entsprechend haben wir auch im Dezember reagiert. Wir haben alles Notwendige in die Wege geleitet, das Sturmflutlagezentrum eingerichtet, Leute in Bereitschaft versetzt, uns um Deichläufer gekümmert und Alarmstufe 2 ausgerufen.

 

Was bedeutet das?

Alarmstufe 2 bedeutet bei uns, dass wir mit 2,50m mehr Wasser als einem normalen Hochwasserereignis rechnen. Im ersten Schritt müssen erstmal diverse Kontakte informiert werden, die eine Rolle im Hochwasser- und Katastrophenschutz spielen. Da müssen wir dann rund zwei Dutzend Personen informieren, die ihrerseits dann in ihren Organisationen aktiv werden. Dazu gehören aber je nach Gefährdungslage auch Betriebe im und um den Hafen, die dann etwa aus Sicherheitsgründen Ihre Zufahrten sperren müssen. Die Kommunikation ist nicht ganz einfach, denn die zu informierenden, etwa in Betrieben sind nicht immer mit dem Thema vertraut. Da muss man sachlich bleiben, auf Gefährdungssituationen hinweisen, darf dabei aber keine Panik verbreiten.

Und dann?

Dann gehört natürlich nicht zuletzt auch dazu, die Deichscharte entsprechend zu verschließen. Das läuft je nach Alarmstufe und richtet sich nach dem vordefinierten Plan und natürlich nicht zuletzt auch nach Erfahrungswerten und der aktuellen Situation vor Ort. Sicherheit geht vor. Im Dezember beim Sturmtief Zoltan waren das etwa 15 Verschlussobjekte. Nach dem Hochwasser gehört natürlich wieder die Bestandsaufnahme dazu. Wir hatten keine nennenswerte Schäden an unseren Deichanlagen und auch die Baustelle „Mittlerer Seedeich“ ist bis auf ein paar kleinere Erosionen gut durch die Sturmflut gekommen.

Aber bei dieser Flut hatten wir immens viel Treibsel. Das ist Schilf, das dann auf Wegen und Deichen liegen bleibt. Wir sprechen dann am Deich von einem Treibselsaum. Das räumen wir immer schnellstmöglichst ab, damit die Grasnarbe möglichst standhaft bleibt. Ende Dezember hatten wir nach der Sturmflut etwa 10.000 Kubikmeter Treibsel.

Was passiert damit?

Das Material wird auf den Treibselplatz gebracht, dort lagert es in Mieten, wird belüftet und dann geschreddert, regelmäßig belüftet und gesiebt. Nachher sind dann aus 10.000 Kubikmetern Treibsel noch etwa 1.500 Kubikmeter Material übrig, das man wie eine Art Kompost weiterverarbeiten kann. Wir untersuchen aktuell zusammen mit einem Gutachter, welche Möglichkeiten es zur Wiederverwertung des Materials gibt.

Wie sieht denn die Zukunft aus was Sturmfluten und Hochwasserschutz an der Küste angeht? Das Wetter und auch solche Sturmlagen werden sich womöglich mit den Klimaveränderungen verändern.

Antworten für diese Herausforderungen hat der Generalplan Küstenschutz, welcher vrsl. 2024 mit neuen Erkenntnissen zum Klimawandel herausgegeben wird. Der sieht unter anderem vor, dass die Deiche um etwa 50 Zentimeter weiter erhöht werden müssen und dass alle Verschlussobjekte mit einer doppelten Deichsicherheit ausgestattet werden. Dazu bauen wir unsere Strukturen zur Abarbeitung von Sturmfluten stetig weiter aus. Hierzu arbeiten wir gerade an diversen Digitalisierungsprojekten und versuchen uns bei unserer Infrastruktur breit aufzustellen.

Und was heute schon besonders wichtig ist und künftig bleibt, ist die enge Zusammenarbeit aller Akteure im Sturmflutfall an der Stelle. Gerade in so einer Hafenstadt wie Bremerhaven sind viele Akteure von Sturmfluten betroffen. Es gibt ja auch das Motto: „In Krisen Köpfe kennen“. Dem folgen wir auch weiter.

Herr von Deetzen, Danke für das Gespräch.

Eindrücke von der Sturmflut Dezember 2023