Projektlogistiker blicken
ins neue Jahr

Mit rund 150 Teilnehmern im Festsaal der Bremischen Bürgerschaft war das 10. Fachforum Projektlogistik der BHV-Bremischen Hafen und Logistikvertretung eine gelungene Veranstaltung. In Vorträgen und Podiumsdiskussionen ging es um Zukunftsthemen und die aktuelle Situation in der Projektlogistik. Auch wurde der BHVProjektlogistikAward an die OHB Digital Services GmbH vergeben für die Entwicklung von „LogTwin“, einem digitalen Zwilling, mit dem ein digitales Abbild sämtlicher Logistikflächen, Warenbewegungen, Prozesse und Transportmittel hergestellt werden kann.

Kernthemen des Abends waren der Fachkräftemangel und der vielseitige Wandel, in dem sich die Logistik befindet. Wir sprachen darüber mit Florian Hartke, Leiter des Innovationslabors Dock One in Bremen.

Florian Hartke, 39, ist Leiter von DOCK ONE in Bremen, einem Innovationslabor, das von der Lenze Gruppe und encoway unterhalten wird. Auf dem 10. BHV-Fachforum Projektlogistik war er auf dem Podium und hat mit über Fachkräftemangel in der Branche diskutiert. Er ist überzeugt, dass der Fachkräftemangel, mit dem sich Industrie und Logistik in Deutschland konfrontiert sehen, ein Umdenken erfordert.

„Authentizität ist Trumpf

Herr Hartke, lassen Sie uns mit einer Frage starten, die immer noch viele Bewerber im Bewerbungsgespräch gestellt bekommen: Wo sehen Sie sich in 5 Jahren?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Wahrscheinlich noch hier an meinem Arbeitsplatz. Der Job hier ist so genial, da wird es extrem unwahrscheinlich, dass es jemand schafft, mich hier wegzubekommen (lacht.). Die Frage zeigt ja zwei Dinge: Erst einmal ist der Wandel in unserer Geschäftswelt rasant und es ist unseriös zu sagen, dass man durch solche Zeithorizonte planen könnte.

Von welchen Wandel sprechen wir?

Dreierlei. Zum einen natürlich der Wandel durch Digitalisierung und technologischen Fortschritt und natürlich auch den persönlichen Wandel als Mensch und Fachkraft. Und nicht zuletzt auch der Wandel auf dem Arbeitsmarkt hin zu einem Arbeitnehmermarkt. Aber die Frage zeigt ganz gut, wie ungeeignet manche Dinge für die Zukunft sind, die bislang vielleicht gut geklappt haben. Für mich wäre die Frage bei der Auswahl neuer Mitarbeiter:innen wenig hilfreich.

Warum?

Mein Ziel ist es immer, den Menschen kennenzulernen und einen möglichst authentischen und umfassenden Einblick zu bekommen, wer mir da gegenüber ist. Da komme ich mit solchen Formeln nicht weit, auf die ich wahrscheinlich dann eine auswendig gelernte Antwort bekomme. Und letztlich kommt es auf die Soft Skills an. Ich sage immer, ich kann jedem programmieren beibringen, aber Fähigkeiten, die eng mit der eigenen Persönlichkeit verknüpft sind, wie zum Beispiel Kommunikationsfähigkeit, kann ich ja nicht einfach umerziehen. Außerdem würde das auch mittelfristig die Motivation senken. Das ist keine Lösung. Bei uns hier in Dock One beginnt das schon beim ersten Kontakt. Wir haben kein klassisches Bewerbungsgespräch, sondern wollen eher ein niedrigschwelliges informelles Kennenlernen. Ich möchte gerne mit dem Bewerber ins Gespräch kommen. Wie gesagt Authentizität ist Trumpf.

Dafür braucht man erst mal Bewerber. Welche Kanäle nutzen Sie? Gibt es bei Ihnen noch Stellenanzeigen?

Das kommt natürlich auf die Zielgruppe an, die man abholen will. Young Professionals und Akademiker kann man damit sicherlich oft noch mit Stellenanzeigen auch auf den Jobportalen erreichen. Aber Auszubildende muss man z. B. auch bei Instagram und TikTok abholen. Und zeigen, warum die Arbeit im Unternehmen spannend ist und man sich bewerben sollte. Das hat auch damit zu tun, wie man die Ausbildung gestaltet und auch wie man mit Veränderung umgeht. Wenn jemand zum Beispiel mal in einen anderen Bereich im Unternehmen testen will, ob ihn das interessiert, versuchen wir das zu ermöglichen. Wer diese Möglichkeiten hat, wird uns eher treu bleiben als jemand, der da bei uns nicht weiterkommt.

Welche Rolle spielen da Räume?

Wir wollen Innovationslabor sein. Deshalb haben wir etwa auch den Digital Hub so gestaltet, dass er offen ist. Denn viele Programmierer zum Beispiel sind in der Regel in ihren Projekten gebunden. Im Alltag bleibt da wenig Platz für Innovation. So ein Raum kann dabei helfen. Wir bieten dort Events an, zum Beispiel Hackathons speziell für Frauen, wo Ideen und Konzepte entstehen für Anwendungen aus der Industrie. Das wird gut angenommen du die Menschen verbringen dort ihre Freizeit, weil sie Spaß daran haben. Und das wollen wir auch für unsere Mitarbeiter:innen erreichen. Wir versuchen eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Eine gute Unternehmenskultur. Das spricht sich herum. Wir zeigen, warum es sich lohnt, bei uns zu arbeiten.

Teilnehmer der Podiumsdiskussion zum Thema Arbeitswelt der Zukunft: v.l.n.r: Sven Hermann, Kai Stührenberg, Sina Hertwig, Florian Hartke, Svende Stähr
Mitarbeiter:innen am Tischfußball im DOCK ONE

Wo steht da die Branche aus Ihrer Sicht?

Ich glaube, viele Unternehmen haben da noch einen längeren Weg vor sich. Aber es nützt nichts. Die Bewerbungen, die auf Stellenanzeigen eingehen, sinken vielerorts. Wir müssen auch früher die Fachkräfte der Zukunft ansprechen. Unternehmen müssen an Schulen gehen und das Interesse der Leute wecken. Ich weiß, das kann anstrengend sein, aber anders wird es nicht gehen.

Woher kommt eigentlich Ihr Interesse für den Job und Beruf, den Sie gewählt haben?

Ich hatte das Glück, dass ich guten Informatikunterricht in der Schule hatte und so ziemlich nahtlos in die Hochschule wechseln konnte. Mir war klar: FH wegen der Anwendungsorientierung. Das war bis heute die richtige Entscheidung.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Skills, die man heute braucht? Und was hat Sie persönlich nach vorne gebracht?

Problemlösungskompetenz und manchmal auch Mut. Mein eigenes Ziel, immer wieder aus der eigenen Komfortzone zu gehen. Das war zum Beispiel im Anschluss an mein Studium. Da wurde ich gleich angefragt, ob ich nicht auch eine Vorlesung an der Hochschule anbieten könnte. Ich erinnere mich noch an den Anruf. Ich war tierisch aufgeregt. Schließlich habe ich mich gegen den inneren Schweinehund durchgesetzt und zugesagt. Und letztlich hat es sich gelohnt.

Danke für das Gespräch.