Zu Besuch
auf der Auto Energy

Montagmittag 11:30 Uhr - ein frostiger Dezembertag am BLG Autoterminal in Bremerhaven. An der Kaje liegt der Auto Carrier Auto Energy. Alle paar Sekunden verlässt ein Auto bollernd die Rampe, vorbei an ein paar Besuchern in Warnwesten: Katja von Bargen von bremenports, Markus Schäffer von Wallenius Wilhelmsen und ein Fotograf. Sie nehmen Kurs auf Deck 5, zu dem die Rampe führt. Sie sind mit dem Kapitän verabredet. Denn der Car Carrier Auto Energy der Reederei United European Car Carriers (UECC), einer Tochter von NYK und Wallenius Lines, bekommt heute den greenports Award verliehen. Die Auto Energy hat auch 2021 regelmäßig in den bremischen Häfen angelegt und von den Schiffen, die regelmäßig hier anlegen durchschnittlich die geringsten Emissionen, bemessen mit einem ESI von 50,1 Punkten. Dieses Engagement will die Hafenmanagement Gesellschaft bremenports GmbH mit dem Preis würdigen.

Kapitän Rui Picarra bedankt sich lächelnd mit dem greenports Award im Arm. Darauf sei man bei UECC stolz, erklärt er. Er ist seit 15 Jahren für den Reeder UECC im Einsatz. Picarra hatte bereits das Vorgängerschiff der Autoenergy bei der Jungfernfahrt aus China nach Europa verbracht, das eine ähnliche Bilanz bei den Emissionen aufweist. Außerdem nimmt er auch für UECC den Award für die „Umweltfreundlichste Flotte“ mit einem durchschnittlichen ESI-Wert von 47,9 Punkten entgegen.

Hinter der vergleichsweise günstigen Emissionsbilanz steckt moderne Technik. Das Schiff wurde 2016 gebaut und kann LNG (Liqufied Natural Gas, also verflüssigtes Gas) für den Antrieb nutzen. Je mehr LNG genutzt wird, desto weniger Schiffsdiesel wird verbraucht und desto weniger Emissionen gelangen in die Atmosphäre. Das, so erklärt Picarra, sei vor allem auf offener See der Fall. „Bei der Dosierung des LNG, das als Zusatz beim Antrieb eingespeist wird, braucht man Wissen, Vorerfahrung und das richtige Fingerspitzengefühl“, erklärt der Kapitän. Dafür seien die Maschinisten entsprechend ausgebildet.

Katja von Bargen bei der Übergabe des greenports Awards an Kapitän Rui Picarra an Bord des Car Carriers Auto Energy.
Katja von Bargen bei der Übergabe des greenports Awards an Kapitän Rui Picarra an Bord des Car Carriers Auto Energy.
Das Schwesterschiff Autoprestige passiert die Auto Energy
Das Schwesterschiff Autoprestige passiert die Auto Energy

Es ist schon das zweite Mal, dass der Autocarrier den greenports Award bekommt. Neu in diesem Jahr war das Kriterium "Arbeitsbedingungen an Bord". „Uns ist wichtig, dass die Mitarbeiter an Bord ordentlich bezahlt werden“, sagt Katja von Bargen. Maßgeblich ist nach wie vor das Thema Nachhaltigkeit. Und das ist auch für Wallenius Willhelmsen und OECC ein wichtiges Thema. Die Reederei habe schon drei neuere Schiffe mit Dual Fuel Motoren für 2023 bestellt. Diese funktionierten neben Diesel auch mit Hochleistungsbatterien, die geeignet sind für den Schiffsbetrieb im Hafen und auch zum Manövrieren. Denn dazu ist LNG kaum geeignet. Die Lösung mit den Hochleistungsbatterien ist eine neue Technologie. Ob das in 20 Jahren noch eine Zukunftstechnologie ist, wird sich zeigen. Bereits jetzt besitzen die Autoenergy und andere Schiffe von UECC einen Landstromanschluss, um im Hafen elektrische Energie nutzen zu können.

„Alles was neu gebaut wird, wird äußerst ökologisch gebaut“, sagt Markus Schäffer von Wallenius Wilhelmsen, er ist Agent von UECC. „Unser Bunker Fuel Manager ist nicht der einzige im Unternehmen, dem das wichtig ist“, sagt Schäffer. „UECC baut immer Special Purpose, also Schiffe für einen ganz speziellen Einsatzbereich. Die Auto Energy und das Schwesterschiff wurden damals ursprünglich für den spezifischen Einsatz nach und von Russland gebaut.

Es geht auf Tour durchs Schiff. Start auf Deck 10: Ein paar Türen später steht man mitten im schwimmenden Parkhaus. Dieselgeruch. Auf 10 Decks finden hier bis zu 4000 Autos Platz. Es gibt höhenverstellbare Decks, damit auch höhere Ladung Platz findet. Elektroautos stellten eine besondere Anforderung an den Brandschutz, berichtet Artur Lech, 2ter Offizier, er führt durch das schwimmende Parkhaus. Artur Lech kommt aus Polen und ist Jahrgang 93. Der Blonde mit der Mütze lächelt und beantwortet geduldig Fragen.

Der 2te Offizier Artur Lech (oben) mit dem Wallenius Wilhelmsen Agenten Markus Schäffer (links) im Maschinenraum der Auto Energy.

Es ist nur ein unscheinbarer Strich von vielleicht 15 Zentimetern Länge auf einer Stahlreling achtern auf Deck 7. Und doch wird er immer wieder Teil eines kritischen Manövers. Von hier aus begleitet Artur Lech die Anlegemanöver. Seine Aufgabe ist, die Rampe während des Anlegemanövers richtig auf der Kaje zu plazieren, damit die kostbare Fracht ungehindert und sicher an Bord rollen kann. Der Strich hilft dabei, einzuschätzen, ob die Rampe nach dem Anlegen richtig platziert wurde. Ein Blick auf die Kaje offenbart, dass das eine Präzisionsarbeit ist.

Nebenan in der Außenwand des Schiffs sind Aussparungen für mehrere blaue Krallen, dahinter hüfthohe Maschinenteile. Mit ihnen wird die Rampe festgehalten, wenn sie geschlossen ist. Sicherheitsschuhe tapern die Stahltreppe nach Deck 6 herunter, das Deck ist höhenverstellbar, erläutert Lech. Das schafft Flexibilität für höhere Güter.

Auf dem Maschinendeck unterhalb der Rampe, ist es warm und riecht nach Schmiermittel. Regelmäßig donnern Autos über die Rampe. Es geht vorbei an einem manuellen Ruder. „Hier üben wir regelmäßig, wie man ein Schiff auch ohne die digitalen Assistenten steuern kann“, sagt Artur Lech. „Das machen wir aber nur auf offener See. Denn das ist sagen wir mal sehr direkt und man muss sehr vorsichtig damit umgehen“, sagt Artur Lech und lächelt.

Ein Raum weiter ein Deck weiter unten: Der Maschinenraum. Die Maschine, die die gigantische Welle antreibt dominiert die Mitte des Raumes. Nebenan die Arbeitsplätze für die Maschinisten, hier arbeiten in der Regel ein halbes Dutzend Offiziere. Der Raum wird gesäumt von grünen Schaltschränken. Wüsste man nicht, dass man auf einem Schiff wäre, könnten es auch die Anlagen eines Kraftwerks sein, mit Kontrollleuchten und Hebeln, Knöpfen und Bildschirmen. Hier wird eindeutig nichts dem Zufall überlassen. Drei Maschinen können mit LNG betrieben werden: die Hauptmaschine, um Strecke zu machen, der Kessel und die Hilfsmotoren für den Schiffsbetrieb.

Doch nicht der ganze Antrieb ist zu sehen. Denn der Teil des Antriebs, der mit LNG funktioniert, ist baulich getrennt und hermetisch abgeriegelt. „Selbst unsere Mitarbeiter können dort nur mit antistatischen Anzügen rein“, sagt Picarra. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass etwas passiere. „Aber um ganz sicher zu gehen, ist der Raum versiegelt“, sagt der Kapitän. Auch die Funkgeräte seien mit einer besonderen Beschichtung versehen, damit es im LNG-Abschnitt nicht zu Funken kommen kann. In verschiedenen Ländern beantworte er immer ähnliche Fragen, ob das wirklich sicher sei. Offenbar ist es das. Picarra lächelt.

Zurück auf Deck 5. Aus der Ecke strahlen weiße Folien, mit denen ein halbes Dutzend Motorboote für die Fahrt geschützt werden. Weiter rollen PKWs an Bord. Morgen soll es nach Belgien gehen und dann 2023 auch wieder nach Bremerhaven.

"Kein Tag ist

wie der andere"

Kapitän Rui Picarra spricht im Interview über seinen Job an Bord der Auto Energy, seine Faszination für das Leben auf See und Schifffahrt im Wandel.

Rui Picarra aus Portugal, arbeitet seit 15 Jahren für OECC. Er begann seine Karriere als Kadett und ist jetzt als Kapitän auf der Auto Energy im Short Sea Bereich unterwegs.

Herr Picarra, wie lange sind Sie schon Kapitän an Bord der Auto Energy?

Das ist mein zweiter Vertrag als Kapitän auf der Auto Energy. Ich habe 2016 schon das Schwesterschiff in China mit abgeholt. Und so bin ich dann Kapitän geworden. Ich komme aus einer Seefahrerfamilie. Mein Opa war schon Navy Sergeant, mein Vater war Navy Sergent. Ich habe mich für einen etwas anderen Weg entschieden, aber ich fahre auch zur See.

Wie läuft die Arbeit auf der Auto Energy?

Wir sind aktuell 18 Crewmitglieder an Bord. Nur für den Schiffsbetrieb, also Safe Manning wären mindestens 13 Mann nötig um das Schiff bewegen zu können. Aber um auch lade- und arbeitsfähig zu sein, brauchen wir 18 Leute.

Was reizt Sie an der Arbeit?

Ich bin sehr glücklich damit. Am Ende ist es wie beim Segeln. Es gibt einen romantischen Teil, dass man auf See ist. Auch wenn eine Passage hier an Bord natürlich etwas anderes ist als privat mit einem kleinen Schiff unterwegs zu sein, grundsätzlich ist es das gleiche. Das Leben auf See ist beides: auf eine Art ist es ein leeres Leben und andererseits ein Leben voller verschiedener Dinge. Das ist auch das faszinierende an diesem Job. Kein Tag ist wie der andere, das fängt beim Wetter an und geht bis zu den Verantwortlichkeiten als Kapitän auf diesem Schiff.

Was ist für Sie die größte Herausforderung?

Mit Abstand das Management. Wenn wir zum Beispiel die Crew wechseln. Man braucht ein Händchen für die Leute. Ich möchte immer gerne mit den Leuten im Austausch bleiben. Du musst im Kontakt behalten, um zu wissen, was die Leute bewegt und wo sie stehen, um unschöne Entwicklungen rechtzeitig zu bemerken und zu reagieren. Es gibt viele Verantwortlichkeiten, etwa was den Umgang mit Mobbing angeht und was sonst noch so im Alltag passieren kann. Es ist nicht immer einfach. Du bist weit entfernt von der Familie. Und ich weiß, wie das ist. Ich kenne das aus der eigenen Kindheit. Meine Mutter hatte, als mein Vater noch zur See fuhr, immer gesagt, solange dein Papa auf See ist, bin ich deine Mutter und dein Vater. Es ist das wichtigste, dass du eine starke Frau hast, die hinter dir steht und für die Familie da ist.

Wenn Sie zur See fahren bewegen Sie sich einerseits in der Natur andererseits hinterlässt der Mensch dort auch seine Spuren in der Natur und auf dem Planeten. Wie gehen Sie damit um?

Das sehe ich natürlich. Wir müssen natürlich auch darüber sprechen, dass es auch immer um wirtschaftliche Interessen und letzten Endes auch ums Geld geht. Wir Menschen müssen immer noch lernen und verstehen wie wir das vereinbaren können und zusammen daran arbeiten. Dafür müssen wir alle ins Boot holen. Denn die Menschen werden nicht aufhören, Geld zu verdienen. In unserer Wirtschasftswelt dreht sich alles um Schifffahrt und die Schiffe. Wir müssen daran arbeiten, die Dinge ökologischer zu machen, um weniger Spuren zu hinterlassen und Wirtschaftsinteressen und Klimamaßnahmen in Balance zu bringen, also unnötige Verschmutzung zu vermeiden und gleichzeitig profitabel zu wirtschaften. Das ist die große Herausforderung, vor der die Welt steht. Es entstehen eine Menge Projekte, um die Umwelt zu bewahren, das ist fantastisch. Aber wenn es ums Geld geht, geht vielen der Schwung aus. Wir müssen beides vereinbaren und ausbalancieren. Das ist unsere Aufgabe auf der Welt.

Wo steht da Wallenius Willhelmsen?

Wallenius ist unser Eigner. Sie kümmern sich um das Deepsea Geschäft, wir kümmern uns um Short Sea in Europa. Es ist schön, dass wir auch mal etwas zurückgeben können, normalerweise ist das anders herum. (lächelt.) Was unsere Klimaschutzbemühungen angeht, haben wir hier in Europa eine Schlüsselrolle. Von hier aus können wir den Wandel in die Welt tragen. Wir von Wallenius haben uns aufgemacht. Und wir zeigen, dass es praktisch möglich ist. Wir haben zum Beispiel in China Unternehmen gezeigt, wie man diese Schiffe baut. So haben wir allen auf der Welt gezeigt, dass es möglich ist.

Wie lief das?

Beim Thema LNG ging es immer viel um Gefahr und Sicherheit. Eines der großen Dinge dabei war das Bunkern von LNG. Wir bunkern von Landseite per LKW oder wasserseitig vom Schiff. Es gibt natürlich auch beim Betrieb Sicherheitsvorkehrungen. Bei einem Feueralarm zum Beispiel schaltet sich das ganze Schiff ab. Das dauert dann, bis man den Fehler entdeckt hat und wieder die Maschinen starten kann. Aber Sicherheit ist natürlich essenziell. Es ist möglich, wir haben es gezeigt und jetzt können es alle nachmachen. Wir haben auch bereits Schiffe für 2023 bestellt, die neben Diesel Hochleistungsbatterien verwenden. Eine andere Art Hybridantrieb also.

Es ist wichtig im Kopf zu behalten, dass wir mit der Auto Energy Short Sea machen…

…also Short Sea, kurze See im Gegensatz zu Deepsea, Tiefsee….

Genau. Short Sea, also zum Beispiel heute Oslo, morgen Malmö. Aber auch Schiffe im Deep Sea-Betrieb können von LNG profitieren. Es ist ein verlässliches System. Und nebenbei lernen wir Seeleute auch immer wieder Neues mit jeder neuen Technologie, mit der wir arbeiten müssen. Die Technologien sind komplex. Hier etwa haben wir ein papierloses Schiff, das natürlich auf digitale Technik angewiesen ist. Das sind auch neue Anforderungen an die Maschinisten. Und wir müssen auch alle 5 Jahre unsere IGF Zertifikate erneuern. (Anmerkung der Redaktion: Mit dem IGF-Standart will die International Maritime Organisation (IMO) nach eigenen Angaben einen internationalen Standard setzen für Schiffe, die mit Gas oder leichtentflammbaren Flüssigkeiten betrieben werden).

Wir fahren auch mit ökonomischer Geschwindigkeit. Dafür wurde unser Fahrplan angepasst.  Für eine bessere Performance. Das heißt wir fahren nicht mit voller Geschwindigkeit, sondern eben angepasst auch um Treibstoff zu sparen. Weil gerade in diesen Zeiten merkt man, dass bei teuren Rohstoff und Treibstoffpreisen das den Unterschied machen kann, ob man profitabel arbeitet. Und wir sind unterwegs einen grüneren Weg weiter zu gehen. Europa ist die freie Welt. Hier haben wir gestartet und machen weiter. Einen besseren Ausgangspunkt für den Wandel kann ich mir nicht vorstellen.

Herr Picarra. Danke für das Gespräch.

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