Wie Simulationen heute zur Basis für Entschiedungen für morgen werden können.
Torsten Dunger von ITK Engineering erklärt im Interview, wie Simulationen die Basis für Entscheidungen über die Zukunft des Hafens sein können. Und warum Transparenz und gemeinsames Vorgehen dafür wichtig sind, den Hafen von Morgen energetisch gut aufzustellen.
Häfen sind komplexe Systeme. Deren Energieversorgung erst recht. Wie schwer ist es, da die richtigen Entscheidungen zu treffen wenn man eine zukunftsfähige Energieversorgung plant?
Dabei hilft uns die Digitalisierung. Dank Softwareentwicklung, Simulation und Virtualisierung können wir Systeme digital abbilden und modellieren.Wir sehen was sich verändern würde, würde man einzelne Elemente anpassen. Und vor genau der Frage stehen wir ja aktuell: wie kann man die Häfen für ihre zukünftigen Aufgaben fit machen?
Und haben Sie schon eine Antwort gefunden?
(Lacht.) Wenn es darauf eine einfache Antwort gäbe, wäre die sicherlich schon gefunden. Dem muss man sich schrittweise nähern. Es gibt ja diverse Optionen, die gewählt werden können. Aber niemand kann so richtig beantworten, was denn jetzt die sinnvollste Lösung an einer bestimmten Stelle ist. Unser Ansatz ist, dass wir die komplexen Zusammenhänge, die da am Hafen bestehen, zunächst in Gänze erfassen und dann eben virtuell abbilden, um dann mögliche Lösungen erst mal rein simulativ zu entwickeln. Das hat den Vorteil, dass man diesen vielfältigen Lösungsraum mit mathematischen Mitteln beschreiben, und mit sogenannten Optimierern abarbeiten kann.
Was kann man sich unter einem Optimierer vorstellen?
Nun ja, wir wollen ein Energiesystem für den Hafen entwickeln, welches die Versorgungsaufgabe erfüllt, CO2-neutral arbeitet und kostengünstig ist. Mit unserem Simulationsmodell können wir beliebige Kombinationen aus erneuerbaren Energien, Energiespeichern, Energieträgern wie Strom, Wasserstoff uvm. berechnen, wissen aber vor der Simulation nicht, ob diese Kombination in der Lage ist, alle Bedarfe CO2-neutral zu bedienen und ob es auch die günstigste Option ist.
Man könnte nun alle möglichen Kombinationen einmal simulieren, die Varianten streichen, die nicht CO2-neutral sind oder die Bedarfe nicht decken können und dann aus den verbliebenen Varianten die kostengünstigste auswählen. Durch die schier unendliche Anzahl an möglichen Kombinationen ist dieser Ansatz aufgrund der Rechenzeit nicht praktikabel. Und hier setzt der Optimierer an. Vereinfacht gesagt, ist es ein Algorithmus, der sich merkt, welche Veränderung das Ergebnis verbessert und läuft dann diesen „Pfad“ weiter, bis sich keine Verbesserung mehr einstellt. Dann hat er ein lokales Optimum gefunden. Damit er auch das globale Optimum findet, wiederholt er diesen Prozess für verschiedene Startpunkte im Lösungsraum. Am Ende hat er zwei Dinge optimiert. Zum einen die benötigte Rechenzeit, da er sehr viele Kombinationen auslassen konnte. Zum anderen das Energiesystem, da wir nun die Variante kennen, mit der alle Aufgaben bestmöglich erfüllt werden.
Im Grundzustand rechnet der Optimierer mit den aktuellen Preisen und Effizienzen der vorhandenen Technologien und den momentanen Bedarfen. Es ist aber auch möglich, stattdessen Annahmen über zukünftige Preise oder Bedarfe zu hinterlegen.
Zur Person
Torsten Dunger seit 2016 bei ITK Engineering, ist Gruppenleiter für das Thema Energiemanagement. Der Maschinenbauer hat sich in seiner Diplomarbeit mit dem Thema Brennverfahren für alternative Dieselkraftstoffe auseinandergesetzt, und ist im Anschluss dann thematisch in der Fahrzeugtechnik gelandet mit einer Promotion zum Thema CO2-freie Nutzfahrzeugantriebe für 40-Tonner. Bei ITK hat er sich dem Thema Modellbildung und Simulation angenommen.
Zum Unternehmen
ITK ist 100 Prozentige Bosch-Tochter und als international tätiges Technologieunternehmen im Bereich Software und Systems Engineering tätig. ITK deckt die gesamte Bandbreite von Embedded Systems über Cloud Computing bis zu Künstlicher Intelligenz ab, sowohl in der Beratung als auch in der Entwicklung. Für die Fischereihafenbetriebsgesellschaft in Bremerhaven erarbeitet ITK aktuell den digitalen Zwilling des Fischereihafens.
Also wenn es etwa einen höheren Bedarf an erneuerbaren Energien gibt, Subventionen kommen oder gehen oder neue Technologien Einzug halten.
Genau. Alle zukünftigen Szenarien kann man mit dem digitalen Zwilling simulieren, etwa wenn Elektrifizierung stattfindet und die Kreuzfahrtschiffe demnächst mit Landstrom versorgt werden müssen oder aber auch zukünftige Kraftstoffe für den maritimen Bereich vor Ort produziert werden müssen. Zunächst ist dafür Transparenz ein wichtiger Baustein. Man erfasst digital, wo es überhaupt Verbräuche und Versorgung gibt. Danach bewertet man das und fragt, ob man das substituiert bekommt, was davon wirklich Kernanforderung ist und was davon eher optional ist?
Das klingt nach einem breiten Feld. Unternehmen und Organisationen im Hafen unterscheiden sich ja durchaus in Größe, Geschäftsmodell und Verbräuchen. Ist das eine Herausforderung?
Heterogenität ist da ein Thema, schon bei der Erfassung. Es gibt Unternehmen, die sind Energiemanagement zertifiziert, da ist alles schon digital aufgelöst, verfügbar und es gibt andere, die vielleicht mit monatlichen Abrechnungen arbeiten und dann monatlich aufgelöst die Verbrauchsdaten haben. Das macht es ein bisschen schwieriger. Aber wir kennen ähnliche Prozesse und können das ableiten. Die große Herausforderung, die steht uns in den meisten Fällen noch bevor, ist, ein orchestriertes gemeinsames Vorgehen daraus abzuleiten. Also die Motivation, dass bestimmte Unternehmen sich einfach aneinander ein Stück weit orientieren, damit das Gesamtsystem effizient arbeiten kann. Dafür bedarf es an der einen oder anderen Stelle auch noch einem Umdenken, gesetzgeberisch muss auch noch einiges passieren, damit neue Dinge möglich werden, etwa dass Nachbarn untereinander Strom handeln können. Wenn das nicht bald mal machbar wird, bekommen wir ein Problem mit der Energiewende.
Die Umstellung auf erneuerbare kostet Geld und wird als ungewisse Investition auf uns zukommen. Sehen Sie auch Chancen?
Es werden auf der informationstechnischen Ebene neue Geschäftsmodelle entstehen, entlang von diesen Datenströmen und neuen Strukturen. Auch entwickelt man in den Simulationen, das ist ja ein iterativer Prozess, ein übergeordnetes Systemverständnis, was wie miteinander zusammenhängt. Das kann eine gute Grundlage sein, zu entscheiden, in welche Technologien und mit welchem Energiemix das System dann letztlich ausgerüstet werden sollte. Mittel- und langfristig werden die erneuerbaren Energien im Vergleich zu den fossilen Energieträgern auch kostentechnisch die Nase vorn haben.
Gab es eine Erkenntnis, aus den Simulationen, die Sie überrascht hat?
Ja. Was uns im Vorfeld nicht so klar war, ist, dass die Kraft-Wärme-Kopplung in der Regel in zukünftigen Szenarien rausfällt. Das haben wir für den Fischereihafen und auch in mehrfachen Studien mit geänderten Randbedingungen festgestellt.
Wieso?
Der Ansatz für Kraft-Wärme-Kopplung ist maximale Effizienz. Das heißt aus dem eingesetzten Kraftstoff oder Brennstoff hole ich sowohl Strom als auch Wärme raus und nehme dafür in Kauf, dass das System deutlich komplexer wird. Auch sind Investitions- und Wartungskosten oft höher. Mit dem Ausbau von erneuerbaren Energien wird das ein Stück weit überflüssig. Da in den Überschussphasen so viel Strom günstig zur Verfügung steht, den ich auch für die Wärme nutzen kann. Andersherum muss ich mit Kraft-Wärme-Kopplung nicht auch noch Strom erzeugen, den ich nicht nutzen kann, nur weil ich die Wärme brauche. Ich kann das auch über die Erneuerbaren einfach decken und stelle mir da eine Wärmepumpe hin, die ist relativ einfach und zudem bin ich über diese Stromschiene relativ flexibel und kann zu den Zeiten, wo der Strom negative Preise hätte, mir meine Wärme ganz günstig erzeugen und kann auf ein komplexes Blockheizkraftwerk mit unterschiedlichen Betriebsstrategien verzichten. Also das war eine Erkenntnis, die wir im Vorfeld nicht erwartet haben.
Danke für das Gespräch.
Weitere Artikel aus unserem Magazin, die Sie interessieren könnten: