Vor beachtlichen 350 Jahren wurde Bremen der erste Ort auf deutschem Boden, an dem es einen Kaffeeausschank gab. Kaffee gehörte neben Tee zu den Handelsgütern der Bremer Kaufleute. Er kam bis Ende des 19. Jahrhunderts per Segelschiff in die damaligen stadtbremischen Häfen an der Weser, die Schlachte, später per Dampfschiff in den Freihafen und den Überseehafen. Es entstand eine ausgeprägte Infrastruktur für die Kaffeeindustrie. Die erste Rösterei errichtete Ende des 19. Jahrhunderts die Firma Ronning, die in den 1960er Jahren von Melitta übernommen wurde. Es folgten Jacobs und Eduscho. Die erste Entkoffeinierungsanlage etablierte der Bremer Kaffeeimporteur Ludwig Roselius im Jahr 1906 und gründete Kaffee Hag.
Kaffee-Experten seit 1932
1932 betrat Berthold Vollers den Markt und machte sich als Hafeninspektor und Lagerist in Bremen selbstständig – mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Kaffee Hag als erstem Kunden. Inzwischen betreibt die Vollers Gruppe 13 Standorte mit rund 420 Mitarbeitenden in Europa, ist aber dem Gründungsstandort Bremen treu geblieben, nicht zuletzt wegen der guten Infrastruktur. Rund 190 Mitarbeitende sind hier beschäftigt.
Der Kaffee kommt heute in Containern nach Bremerhaven, von wo ihn die Vollers-Mitarbeitenden zu den Lagerhäusern in Bremen transportieren. Dort kümmern sie sich vor allem um die Qualitätskontrolle, die Reinigung, die Lagerung, das „Umsacken“ oder „Absacken“ und den Weitertransport, insbesondere an Händler und Röster. Auch das Mischen verschiedener Kaffeesorten nach Anforderung der Kunden gehört zu den Aufgaben – das Ziel ist dabei, immer das möglichst gleiche Geschmacksprofil zu erreichen. Einige Kaffees dagegen werden auch sortenrein abgerufen.
Jede vierte Bohne kommt über Vollers
Im Jahr 2024 wurden 1,25 Million Tonnen Kaffee nach Deutschland importiert, fast die Hälfte davon über Bremen. Die Firma Berthold Vollers hat davon 270.000 Tonnen bewegt und gehört hier neben J. Müller zu den größten Logistikdienstleistern. Das Unternehmen beschäftigt sich zwar auch mit Tee – immerhin im Umfang von 20 Prozent der Menge, die in Deutschland jährlich konsumiert wird – Kakao, Gewürzen und anderen Gütern. Aber das Kaffeegeschäft macht auch heute noch rund zwei Drittel des Gesamtgeschäfts aus.
„Wir sind eine kaffeegetriebene Organisation“, sagt Philipp Wacker, der seit 2020 als Verantwortlicher am Standort Bremen zusammen mit Christian Vollers und Matjis Brand das 3-köpfige Direktorium der Unternehmensgruppe bildet. „Und das wird sich wohl auch nicht ändern. Wir haben vor allem in Deutschland über viele Jahre eine hohe Expertise aufgebaut, wir wissen, was wir tun und unsere Kunden vertrauen uns. Wir sind ihre Augen, ihre Nase und ihre Sensorik und können erkennen, ob der Kaffee ein Problem hat – und uns darum kümmern. Diese Expertise wollen wir so lange wie möglich bei uns behalten und nutzen.“
Mit Liebe für das Produkt
So gibt es bei Vollers Lkw-Fahrer, die bei der Entladung schon am Aussehen des Kaffees erkennen können, ob er ein Feuchtigkeitsproblem hat. „Das ist unglaublich, für mich sehen die Bohnen immer gleich aus. Es braucht viele Jahre, um das zu lernen. Und wenn wir solche Leute haben, die da in zehn von zehn Fällen richtig liegen, müssen die unbedingt auch bei uns bleiben“, so Wacker.
Die technischen Herausforderungen im Umgang mit Kaffee liegen zum einen vor allem darin, dass er sehr feuchtigkeitsempfindlich ist. Zum anderen nimmt er relativ schnell Fremdgerüche an. „Wir haben ein besonderes Mindset, was Kaffee betrifft. Er wird sorgsam geerntet und getrocknet und dann um die halbe Welt geschippert, da ist es unser Job, auch liebevoll damit umzugehen“.
Das Wohl des Standortes steht im Vordergrund
Das Verhältnis zu anderen Lagerhaltern sieht Wacker als sportlichen Wettbewerb. „Wir verstehen uns in Bremen als Kaffee-Panel. Wir wissen alle, dass wir gute Leistung liefern müssen.“ Viele der großen Kaffeeunternehmen, die es heute gibt, wurden in Bremen bzw. Norddeutschland gegründet – auch wegen der Nähe zu den Häfen. „Das industrialisierte Kaffeegeschäft in Europa hat seine Wurzeln weniger in Italien, wie man vielleicht denken könnte, sondern in Norddeutschland“, sagt Wacker.
Neben der sonstigen Infrastruktur ist ein leistungsfähiger Hafen mit einer guten Anbindung ein wichtiges Entscheidungskriterium bei der Standortwahl eines Kaffeerösters oder -händlers. „Darum ist es eminent wichtig, dass das gut funktioniert. Die Komplexität und die Verwerfungen in den heutigen Supply Chains stellen auch Häfen und Hinterlandanbindung bei der Abwicklung vor neue Herausforderungen. Darauf müssen wir eine Antwort haben. Nichtsdestotrotz sehe ich Bremen mit Hamburg zusammen als eines der stärksten Kaffee-Logistikzentren auf der Welt.“
Handled with Care
Der Großteil des Kaffees kommt in großen Säcken zu 21 Tonnen an, sogenannten Inlinern, die genau in einen 20-Fuß-Container passen. Auch Big Bags sind im Einsatz, ebenso wie die traditionellen Jute-Säcke – davon passen bis zum 400 Stück in einen Container. „Und da sind durchaus auch mal verschiedene Sorten drin, die gilt es dann korrekt zu sortieren“, sagt Ingo Funke, Head of Coffee Department bei Vollers. Für die Lagerung werden die Inliner „geschlitzt“ und der Kaffee in Silos gepumpt. Wenn ein Kunde statt des Logos vom Produzenten das eigene Logo auf den Jutesäcken wünscht, wird auch mal umgesackt.
„Wir prüfen hier die Qualität und den Zustand des Kaffees, reinigen ihn bei Bedarf, lagern ihn und füllen ihn nach den Anforderungen des Kunden in Säcke oder Big Bags um, seit kurzem haben wir auch Mehrwegbehälter im Einsatz“, erklärt Funke. „Die sind nachhaltiger, lassen sich besser handhaben als Säcke auf Paletten oder Big Bags und rechnen sich auch schnell – ein Big Bag ist recht kostspielig, wir aber oftmals nur einmalig verwendet.“
Kaffee als kleinster gemeinsamer Nenner
Viele Menschen wissen gar nicht, welche Unmengen von Kaffee über Bremen kommen – im Jahr 2024 geschätzte 600.000 Tonnen. „Der gesamte Kaffee, der von namhaften deutschen Supermarktketten verkauft wird, kommt zum Beispiel über Bremen. Große Mengen von entkoffeiniertem Kaffee, der in den USA verkauft wird, ebenfalls. Die Dimensionen sind vielen gar nicht bewusst“, so Philipp Wacker.
Kaffee ist in jüngster Zeit deutlich teurer geworden „Trotzdem habe ich nicht das Gefühl, das weniger Kaffee konsumiert wird“, sagt Wacker. „Egal welcher politischen Strömung oder welcher Kultur man angehört – Kaffee scheint immer der kleinste gemeinsame Nenner. Es ist ein Luxusgut, aber eines, auf das niemand verzichten möchte. Auch wenn die Menschheit vermutlich ohne Kaffee überleben würde.“
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