Kristiane Schmidt über
tatsächliche Innovationen in der Logistik
Kristiane Schmidt, 30 Jahre, kommt gebürtig aus der Nähe von Bremerhaven und wohnt in Düsseldorf. Sie ist Nachhaltigkeitsmanagerin bei Contargo, einem führenden Anbieter von Containerlogistik in Europa, der 24 Container Terminals verbindet, von denen es mit dem LKW auf die letzte Meile geht.
Du bist seit vier Jahren Sustainability Managerin bei Contargo. Was war für dich persönlich ein Highlight in dieser Zeit?
Ich glaube, mein persönliches Highlight war, als ich das erste Mal mit einem unserer E-Lkw-Fahrer gesprochen habe. Es war so schön, wie ehrlich er sich darüber gefreut hat. Er war total überzeugt davon und sagte: „Ich habe so wenig Stress heute Abend, wenn ich nach Hause komme, so ohne Lärmbelastung. Und wie der beschleunigt. Es macht so Spaß das Ding zu fahren. Setz dich auch mal rauf. Komm, wir drehen noch eine Runde!“ Es ist schön, wenn man Menschen sieht, die die eigene Begeisterung teilen für diesen Wandel, den wir da gerade zusammen gehen.
Diese Begeisterung, wo kommt die bei dir her?
Aus Überzeugung. Ich habe mir das tatsächlich sehr gut überlegt. Ich habe 2019 ein halbes Jahr eine Fahrradtour gemacht und hatte mal Zeit, darüber nachzudenken, was ist mir eigentlich wichtig im Leben. Was möchte ich dann irgendwann als Omi auf der Veranda sitzend meinen Enkeln erzählen? Wo habe ich meinen Beitrag zu geleistet?
Ein Teil der Radtour ging durchs Rheintal. Dort stand ich irgendwann hinter Koblenz auf dem Zeltplatz mit meinem Zelt und wollte nachts schlafen. Und es war unglaublich laut. Da waren die Güterzüge, die da durchrauschten und die ollen Binnenschiffe, die da durchgefahren sind und irgendwie hat das alles so viel Lärm gemacht. Und ich habe gedacht: „Kann da nicht mal jemand was gegen tun?“ Und da habe ich dann tatsächlich den Entschluss gefasst, ins Nachhaltigkeitsmanagement zu gehen.
Und dann ein Jahr später quasi sitze ich in der Position, die genau dagegen etwas tun kann und die das in der Hand hat. Ich bin so in die Logistik reingerutscht und habe sie dann lieben gelernt. Und jetzt, wo ich in der Logistik unterwegs bin, finde ich, gibt es ganz, ganz viele super spannende Menschen, die diese Themen auf ganz unterschiedliche Weise voranbringen.
Und jetzt steht die zweite Ausgabe der ENVOCONNECT vor der Tür. Was ist deine Erwartung?
Klar, möchte ich neue Inhalte mitnehmen. Ich möchte aber vor allem auch inspirierende Menschen, mit denen man Themen voranbringen kann, kennenlernen. Ich glaube, wir befinden uns eigentlich immer alle in einer schwierigen Lage, weil die Welt so komplex ist.
Was sind die nächsten Schritte in Richtung Nachhaltigkeit bei Contargo?
Wir kriegen bis Anfang nächsten Jahres drei neue Binnenschiffe mit Elektromotor und auch mit Wasserstoff-Brennstoffzelle, womit wir ein neues Konzept testen. Wir können Bahnen mit Ökostrom einsetzen, wodurch dann die Streckenfahrt schon enorm Emissionen reduziert. Selbst mit dem deutschen Strommix werden die Emissionen bei der Bahn immer weniger. Das große Highlight: seit 2019 haben wir schon E-Lkw in unserer Flotte. Wir haben 2019 die ersten beiden schweren E-Lkw bekommen, die es damals auf dem Markt gab. Damit sind wir in den Test gestartet, haben ganz viel Erfahrung gesammelt, sind jetzt quasi mitten im Hochlauf unserer E-Lkw-Flotte und werden bis Ende beziehungsweise Anfang nächsten Jahres dann 90 E-Lkw in unserer Flotte haben. Wir bauen dazu parallel gerade an unseren Container-Terminals auch die passende Schnellladeinfrastruktur mit 250 kW auf.
Welche Rolle spielt dein Background dabei?
Mein wissenschaftlicher Background ist natürlich super, um Sachen gut bewerten zu können. Ich lese Paper durch und kann scannen, wie es darin um die aktuelle Forschung steht. So kann ich wissenschaftlich basierte Aussagen über neue Antriebstechnologien und Co. treffen und sondieren, was ist jetzt Populismus, was sind nur schöne Geschichten und wo sind die tatsächlichen die Fakten. Wenn man schließlich die klaren Fakten auf dem Tisch hat, geht es darum, Kooperationen zu suchen. Da sind wir dann in mehrere Richtungen unterwegs. Erstmal suchen wir den engen Austausch mit den OEMs, also den Fahrzeugherstellern, weil sie gerade in der Entwicklung des E-LKWs ja auch involviert waren. Es geht weiter, wenn wir an die ganzen politischen Themen denken. Zum Beispiel waren wir damals Gründungsmitglied von ECTA, der European Clean Trucking Alliance, um auf europäischer Ebene, zusammen mit anderen Unternehmen, die auch im Bereich E-LKW vorangehen, zu sagen, dass sich da noch einiges tun muss. In dem Bereich brauchen wir ganz viele neue Leitplanken.
Wo geht denn die Reise beim Binnenschiff hin?
Wir haben in unserer Flotte 45 Binnenschiffe und drei davon testen wir jetzt mit der neuen Antriebstechnologie. Das sind Kooperationspartner, also Subunternehmer, nicht unsere eigenen. Generell ist es viel leichter, einen LKW zu transformieren. So ein Binnenschiffsmotor hat locker 20 Jahre Lebensdauer. Wenn wir jetzt, Stand heute, 20 Jahre nach vorne rechnen, sind wir in 2044. Das heißt, der Motor, den ich heute einbaue, entscheidet darüber, ob ich 2045 klimaneutral bin oder nicht. Ich habe beim LKW ja viel kürzere Zyklen und dadurch auch viel kürzere Innovationszyklen. Der erste Elektromotor oder der erste E-LKW, wenn ich den vergleiche mit dem, den wir jetzt anschaffen, da sind Riesensprünge in der Innovation passiert, während ich in der Binnenschifffahrt gar nicht diese starken Innovationszyklen habe.
Wir versuchen jetzt, die Innovation aus dem LKW-Bereich in unsere Binnenschiffe einzubringen, indem wir bei den Binnenschiffen anstelle des klassischen Binnenschiffsmotors innovative und effiziente Dieselverbrennungsmotoren einsetzen. Das Sytem ist modular und wir können den Antriebe später mit dem „Treibstoff der Wahl“ austauschen. Je mehr Antriebe man betrachtet, desto mehr Forschung und Entwicklung muss in dem Bereich dann auch getan werden bis zur Entscheidung für den richtigen Antrieb.
…und strategisch ist es schlau, das möglichst spät zu tun…
…genau. Das Schöne an unseren neuen Schiffen ist, dass die eben ein modulares Konzept haben. Ich habe den Antrieb über einen Elektromotor und den Strom für den Elektromotor, den ich quasi produzieren kann, wie ich will. Jetzt haben wir eine Batterie drin, wir haben eine Wasserstoff-Brennstoffzelle drin, wir haben diese Dieselgeneratoren, von denen wir gesprochen haben, drin. Und dadurch bin ich total modular unterwegs und kann zum Beispiel die Dieselgeneratoren auch einfach mit HVO betreiben, also mit Biokraftstoff. Oder ich kann dann irgendwann entscheiden, ich möchte etwa eine Methanol-Brennstoffzelle neu ausprobieren. Dann tausche ich einen der Dieselgeneratoren aus gegen eine Methanol-Brennstoffzelle und brauche nicht das ganze Schiff umbauen, sondern eben nur einen kleinen Teil der Antriebstechnologie, wodurch ich noch viel technologieoffener nach hinten raus bin, um diese Entwicklung abzuwarten. Ich kann also heute schon was tun und mich trotzdem auf die Zukunft vorbereiten.
Danke für das Gespräch.
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