Wie Michaela Fraschke im Schuppen 22 Stapler fährt
Obwohl BLG Cargo Logistics im Neustädter Hafen seit Jahrzehnten auf den Umschlag von schweren aber empfindlichen Papierrollen spezialisiert ist, sind Frauen an der Kaje noch selten anzutreffen. Dabei haben sie oft besonders viel Fingerspitzengefühl, wie ein Besuch im Schuppen 22 bei der Gabelstaplerfahrerin Michaela Fraschke zeigt.
Mit geübtem Blick mustert Michaela Fraschke die riesigen Papierrollen, die auf dem glatt geschliffenen und sauberen Hallenboden im Schuppen 22 der BLG im Neustädter Hafen stehen. „Die Rollen müssen picobello sauber und einwandfrei sein. Deshalb kontrolliere ich jetzt den Zustand der Papierlagen“, erläutert sie, während sie routiniert eine nach der anderen dieser 2,80 Meter hohen und durchschnittlich drei Tonnen schweren Kolosse umrundet.
Zuvor hatte sie mit ihrem 52-Tonnen-Gabelstapler, der sie dazu berechtigt, bis zu 40 Tonnen Ladung zu transportieren, innerhalb von jeweils nur wenigen Minuten jede Rolle von ihrem Lagerplatz bis kurz vor das Hallentor gefahren und dort aufgestellt. Was bei ihr den Eindruck erweckt, als wäre es eine Leichtigkeit, ist anspruchsvoll. Die schwergewichtigen Riesenrollen müssen extrem vorsichtig behandelt werden, damit möglichst wenig Papierlagen beschädigt werden. Schließlich ist Papier ein empfindliches Gut. Ein Stoß oder eine falsche Bewegung mit dem Stapler – und die Außenschichten der Rollen sind beschädigt. Alle Arbeitsabläufe erfordern also besonders viel Sorgfalt und Erfahrung.
Bei jeder Rolle prüft Fraschke nicht nur auf sichtbare Schäden, sondern kontrolliert auch die empfindlichen Ränder und achtet darauf, dass keine Feuchtigkeit die Qualität des Papiers beeinträchtigt hat. „Bis zu zehn Lagen dürfen beschädigt sein, das ist einkalkuliert,“ erläutert sie. „Nur wenn es mehr sind, wird der Kunde informiert.“
Heute sind allerdings nur kleinste Transportspuren zu befinden. „Die sind alle in Ordnung“, sagt Fraschke, nickt zufrieden und klebt an einer Rolle kleine Risse in den obersten Lagen mit Klebeband zusammen. Für die anderen Fälle gibt es einen besonderen Arbeitsschritt: das „Abspecken“. Wenn die Außenschicht einer Rolle beschädigt ist, wird diese mit einem Messer angeritzt, die fehlerhaften Lagen werden entfernt. Danach wird die Rolle neu verklebt, damit sie beim Kunden einwandfrei ankommt.
Es ist der finale Check, bevor es für die zehn Rollen gleich auf die Reise geht. Vor dem Tor steht der Lkw bereit, aber Fraschkes Aufgabe endet nicht, bevor jede Rolle gewissenhaft gesichert und für den Weitertransport freigegeben ist. Doch nicht nur die schiere Masse der Rollen macht diese Arbeit besonders. Die Verladung erfordert ein exaktes Verladeschema im Lkw. Die Papierrollen müssen sicher und gleichmäßig stehen, damit die Last optimal austariert ist. Durch Laschen werden sie dann gut gesichert, damit nichts verrutscht.
Mit Akribie und Geschick
Während die Rollen mit 2,80 Meter Höhe aufrecht verladen werden, sodass sieben von ihnen auf einen Lkw passen, muss die Verladung bei den noch größeren Rollen mit 3,35 Metern Höhe liegend erfolgen.
Bei Fraschke sieht es ganz einfach aus, als die große Klammer des Staplers die schwere Rolle genau an der richtigen Stelle greift, um sie nicht zu beschädigen. „Man muss schon genau drauf achten, dass man nicht zu weit oben oder unten greift“, erläutert sie. Sobald eine Rolle verladen wird, sichert der Fahrer sie und Fraschke dokumentiert den Zustand und die Sicherung mithilfe eines Fotos. Diese akribische Arbeitsweise ist notwendig, denn das Papier wird in verschiedene Industrien geliefert, wo es unter anderem in Kartonagen für Pizzakartons weiterverarbeitet wird. „Kommunikation ist alles“, sagt sie, und betont, wie wichtig die Zusammenarbeit mit den Lkw-Fahrern ist. Gerade im hektischen Hafenalltag, mit Fahrern aus aller Welt, sei es entscheidend, miteinander zu sprechen – auf Deutsch, Englisch oder notfalls mit Händen und Füßen.
Fraschke hat ihr Wissen um das Handling der Papierrollen und anderer Ladegüter in den zweieinhalb Jahren, die sie jetzt bei der BLG arbeitet, perfektioniert. „Man braucht gutes Gespür und Vorstellungskraft, weil man mit der langen Gabel des Staplers sehr vorsichtig sein muss“, unterstreicht sie. Dabei ist sie Quereinsteigerin in diesem Beruf. Ursprünglich ausgebildet als Kfz-Mechanikerin, machte sie später eine zweite Lehre zur Köchin und war neun Jahre lang in einer Grundschulküche tätig. Doch die Leidenschaft für Fahrzeuge hat sie nie losgelassen. „Ich habe den Blaumann vermisst,“ erzählt sie lächelnd.
Der Wechsel in die Logistikbranche war für sie wie eine Heimkehr. Ihre ersten Schritte im alten Beruf machte sie in einem Lager für Autoteile, wo sie auch den Staplerschein erwarb. Doch bei der BLG in Bremen erwartete sie ein neues Niveau: Mit großem Gerät bei jeder Witterung mächtige Waren und Güter zu bewegen –diese Herausforderung hat es ihr sofort angetan. „Und obwohl ich eigentlich ein Sonnenmensch bin, habe ich problemlos zwei Winter mit Wind und Wetter hier überstanden“, wundert sie sich selbst ein wenig.
Übung macht die Meisterin
Ganz so leicht war es zu Beginn allerdings nicht: Fraschke musste erst lernen, mit den großen Staplern zurechtzukommen. „Am Anfang ist es mir schwergefallen, besonders beim Holztransport mit der langen Staplergabel,“ gibt sie zu. „Beim Papier ging es einfacher.“ Einmal blieb sie sogar stehen, weil der Diesel im Stapler ausgegangen war – „Das war mir so peinlich,“ erinnert sie sich, doch letztlich stellte sich heraus, dass sie keine Schuld traf: Der Tankanzeiger war defekt. Diese ersten Herausforderungen hat sie längst überwunden, und heute bewegt sie die großen Stapler mit beeindruckender Leichtigkeit. „Irgendwann ist der Knoten geplatzt,“ erzählt sie. „Seitdem macht es mir nur noch Spaß.“
Ihre Arbeit in der Frühschicht von 6 bis 14 Uhr erfordert vor allem Konzentration und Feingefühl. Fraschke beschreibt die Anforderungen an eine gute Staplerfahrerin als Mischung aus gutem Gespür und der Fähigkeit, sich den Raum vorzustellen. „Man sieht ja oft nicht genau, wie lange die Gabel ist, deshalb muss man das einfach fühlen,“ erklärt sie. Besonders gut gefällt ihr, dass sie mit Dimensionen arbeitet, mit denen man im Privatleben selten zu tun hat.
Von ihrer Zukunft im Hafen hat sie klare Vorstellungen: „Ich möchte am liebsten alle Geräte ausprobieren,“ sagt sie. Deshalb freut sie sich sehr, dass sie als nächstes auf der Zugmaschine ausgebildet wird. Gerne möchte sie künftig auch noch Reachstacker fahren – je größer desto besser. Die Führungspositionen überlässt sie hingegen gerne anderen; sie sieht sich als Spezialistin am Gerät. Dass sie als nur eine von nur zwei Frauen für die Bremer BLG als Gabelstaplerfahrerin im Neustädter Hafen tätig ist, stört Fraschke nicht. „Aber noch mehr tolle Kolleginnen wären auch prima.“
BLG Cargo Logistics
Standort: Neustädter Hafen
Fläche insgesamt: 1,1 Millionen Quadratkilometer
Überdachte Lagerfläche: 210.000 Quadratmeter
Freilagerfläche: 450.000 Quadratmeter
Kranlastkapazität: 200 Tonnen
Gabelstapler mit einer Tragfähigkeit von bis zu 52 Tonnen
Eine Floating RoRo-Rampe
Gleislänge: 18 Kilometer
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