„Agil bleiben und beobachten,
wie sich die Dinge entwickeln.“

Stefan Meyer 43 Jahre, geboren in Bremen und in Syke aufgewachsen, wohnt mit Frau und zwei Töchtern in Ganderkesee. Er arbeitet in der Zentrale von Kühne+Nagel Deutschland in Bremen, wo über 700 Arbeitsplätze angesiedelt sind. Bei Kühne+Nagel hat er seine Ausbildung absolviert, seinen Diplom-Kaufmann gemacht, zwei Monate in Hongkong verbracht und vier Jahre die Niederlassung in Oldenburg geleitet. Heute ist er als National Sea Logistics Operations Manager verantwortlich für die Kolleginnen und Kollegen in Bremen, in Hamburg, in Duisburg und in Bielefeld.  

 

Warm ist es am Mittwochvormittag im zehnten Stockwerk des August-Kühne-Hauses, des mit fünf Jahren noch recht jungen und energetisch sparsamen Kühne+Nagel-Stammhauses. Hier im Besprechungsraum bietet Stefan Meyer kühles Wasser an. Aus diesem hat man wohl einen der schönsten Ausblicke, die ein Bremer Bürogebäude bieten kann, zehn Stockwerke über der Weser. Man schaut hinüber in die Neustadt, links nach Peterswerder und rechts die Weser hinab. Von hier hat man alles im Blick, jede Veränderung, die sich im Stadtbild abzeichnet. Veränderungen, wenn auch nicht baulicher Natur, sind Thema des Gesprächs mit dem bremenports-Magazin im Vorfeld der Nachhaltigkeitskonferenz ENVOCONNECT.

 

Herr Meyer, Veränderungen prägen unsere Lebenswirklichkeit im Großen wie im Kleinen. Die Gesellschaft, die Wirtschaft, der Verkehr, die Mobilität und nicht zuletzt, wie wir leben und arbeiten, verändert sich. Wir müssen uns verändern. Tun wir das in ausreichendem Maß, was das Thema Nachhaltigkeit angeht?

Ich würde mir an vielen Stellen bei Nachhaltigkeitsthemen mehr Pragmatismus und mehr Zusammenhalt wünschen. Ich bin überzeugt, nur wenn alle Stakeholder – Industrie, Wirtschaft und Politik – zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen, kommen wir weiter. Dabei soll es jedoch nicht darum gehen, alles endlos zu diskutieren, sondern auch mutig mit einem gemeinsamen Konzept voranzugehen. Es stört mich, dass wir die Dinge manchmal komplizierter machen als sie sind.

Wo zum Beispiel?

Beim Thema E-Mobilität etwa. Während es in anderen Ländern, wie China, bereits deutlich höhere E-Auto-Quoten gibt, wird in Deutschland das Aus des Verbrenners mit hoher Emotionalität diskutiert.

 

Welcher Mega-Trend beeinflusst Ihren Arbeitsalltag am meisten?

Unser Arbeitsalltag verändert sich sehr stark durch die Digitalisierung. Das Thema KI wird sicher die weitere Entwicklung der nächsten Jahre prägen. Wir sind schon heute sehr gut dabei, die Teilprozesse der Seefracht zu digitalisieren. Dies betrifft zum Beispiel die Reedereibuchung, die Transportaufträge an den Vor- oder Nachlaufunternehmer, die Slotbuchung an Terminals, die Freistellung im Hafen et cetera. Darüber schaffen wir Transparenz für den Kunden. Es bedingt jedoch für uns, die operativen Systeme miteinander zu verbinden: Daraus folgen Softwareeinführungen, Schnittstellen müssen implementiert und Daten ausgetauscht werden. So verändert sich tatsächlich das gesamte Geschäftsmodell ein Stück weit. Wir wollen den Kunden die Möglichkeit geben, nachzuverfolgen, wie viel CO2-Emissionen ihre Transporte erzeugt haben. Wichtiger ist allerdings, die Kunden dabei zu unterstützen, einen Transport möglichst emissionsarm zu gestalten, bevor er überhaupt stattfindet.

Welche Herausforderungen gibt es an der Stelle?

Es gibt in der Seefracht sehr unterschiedliche Berechnungsformen. Ein Schiff hat eine Containerkapazität von 20.000, 24.000 TEU - theoretisch. Daraus ergibt sich die Frage, wie allokieren Sie die Emission des Schiffes zu welcher Sendung, zu welchem Container? Ist der Platz der limitierende Faktor, ist es das Gewicht? Meistens kombiniert man die Faktoren, um eine Aussage darüber treffen zu können, welche Emissionen der Transport erzeugt. Aber: Es bleiben Annahmen. Und wenn ein Reeder Leercontainer transportiert, um Ware aus Asien wieder zu importieren, müsste man eigentlich die Emissionen für den Transport des Leercontainers wieder auf den Vollcontainer aufschlagen. Es ist also komplex. Je mehr Transparenz es gibt, desto besser sind wir in der Lage, die Emissionen positiv zu beeinflussen.

Wo steht Kühne+Nagel gerade, was das Thema Nachhaltigkeit angeht? Schon unten am Empfang begegnet einem das Thema.

Wir haben Anfang 2023 unsere neue Strategie angekündigt, die Roadmap 2026. Darin wird definiert, wie wir uns bis 2026 entwickeln wollen. Daran knüpft die Vision 2030 an, konkret ‚der vertrauenswürdigste Logistikpartner für eine nachhaltige Zukunft zu werden‘. Einer der vier Eckpfeiler, auf dem diese Strategie basiert, ist Living ESG. Kühne+Nagel hat darin sehr klare Ziele definiert. Es geht auch um eine Reduzierung der Emissionen, es ist aber nicht der einzige Aspekt.

Und zwar?

Wir agieren im Rahmen eines „Asset light“-Geschäftsmodells: Wir verursachen nur zwei bis drei Prozent unserer Emissionen selbst. Die übrigen 98 Prozent verursachen unsere eingesetzten Dienstleister: die Reederei, die das Schiff betreibt, die Airline, die das Flugzeug fliegt, der Lkw-Unternehmer. Deshalb haben wir nicht die Möglichkeit, alle Emissionen selbst zu reduzieren, sondern wir müssen gemeinsam mit unseren Partnern und unseren Kunden Strategien entwickeln. Das ist eine große Herausforderung. Und: Wir haben uns u.a. über die Science Based Targets – kurz SBTi – zum Ziel gesetzt, dass wir die CO2-Emissionen in der gesamten Lieferkette reduzieren.

Nehmen die Kunden das Angebot an? Sie müssen ja dann auch die Mehrkosten für klimafreundlichere Transporte zahlen …

... oder bereit sein, weniger flexibel zu sein. Die Wahrscheinlichkeit, aktuell einen E-Lkw für einen Transport zu bekommen, ist natürlich deutlich geringer, weil noch fast alle Lkw mit Diesel fahren. Auf unserem Portal visualisieren wir, welche Transportmittel mehr CO2 pro Tonne erzeugen und welche weniger. Viele Kunden sind dankbar dafür und nehmen es an. Darüber hinaus bieten wir eine „Book & Claim“-Insetting-Lösung an, mit deren Hilfe unsere Kunden ihren CO₂-Fußabdruck innerhalb der Lieferkette reduzieren können. Carbon Insetting unterstützt die Verbreitung emissionsarmer Lösungen wie etwa Elektrofahrzeugen und trägt dazu bei, die Aufpreise zu senken, die Kunden für diese Lösungen zahlen.

Sie haben sich zur ENVOCONNECT angemeldet. Warum?

Wir möchten diese Möglichkeit nutzen, da das Gesamtthema Nachhaltigkeit ein ganz elementarer Bestandteil unserer Strategie ist. Ich hoffe auf einen regen Austausch und bin neugierig darauf was andere machen, welche Ansätze man weiterentwickeln kann und freue mich, dann unsererseits auch ein paar Gedanken in der Branche adressieren zu dürfen.

Sie sind seit Beginn Ihrer Karriere bei Kühne+Nagel tätig. Welche Skills haben Ihnen auf Ihrem Weg am meisten geholfen?

Empathie auf jeden Fall, und zu wissen, wie man mit Menschen umgeht. Ein Unternehmen besteht aus Menschen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, da sind Kunden und Dienstleister. Eine weitere Fähigkeit ist analytisches und strategisches Denken. Es hilft in komplexen Situationen Zusammenhänge schneller verstehen zu können und zu überlegen, welche Maßnahmen wann erfolgversprechend sind.

Davon haben Sie offenbar regen Gebrauch gemacht. Sie hatten sehr verschiedene Aufgaben im Unternehmen, und haben nie den Arbeitgeber gewechselt.

Kühne+Nagel hat mir ermöglicht, wirklich unterschiedliche Dinge kennenzulernen. Ich hatte operative Verantwortung. Ich habe mal einen Standort geleitet. Ich habe mal einen Verkaufsbereich geleitet. Und heute bin ich Bereichsleiter für einen ganz großen operativen Bereich. Ich hatte die Themen Seefracht, die Landverkehre, ich habe auch Luftfracht gemacht, war für ein Lager verantwortlich. Das, was andere zum Unternehmenswechsel bewegt, weil sie etwas suchen und die Chancen beim eigenen Arbeitgeber nicht haben, das hat Kühne+Nagel mir geboten.

Dazu gehört auch die Motivation, Verantwortung übernehmen zu wollen. Wo kommt die bei Ihnen her?

Das Entscheidende ist in meinen Augen, dass man eine Vorstellung davon hat, wie etwas aussehen soll und es dann entsprechend kommuniziert. Wenn man dann sieht, dass sich Dinge wirklich verändert haben, dass es so funktioniert, wie man sich es vorstellt, dann kann man persönlich stolz sein. Aber man lebt in einem dynamischen Arbeitsumfeld und ist de facto nie fertig. Am Ende muss man agil bleiben und beobachten, wie sich die Dinge entwickeln.

 

Danke für das Gespräch.

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