Ein Besuch auf der Baustelle von Bremerhavens erster öffentlicher Wasserstofftankstelle
Die Idee liegt eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes nahe: Wäre es nicht am besten, grüne Energie lokal zu gewinnen und direkt vor Ort Wasserstoff (H2) damit herzustellen, um damit die Nutzer der Region zu versorgen? Davon überzeugt ist Andreas Wellbrock, der bereits bei BLG Logistics das damals neue Geschäftsfeld Logistik für die Offshore-Windenergie aufbaute und als Mitglied des Vorstands den Geschäftsbereich Kontraktlogistik verantwortete. Eigentlich hatte er sich schon damals anschließend im Erneuerbare Energien-Sektor selbständig machen wollen, hatte dann allerdings auch das Jobangebot als Geschäftsführer der Windenergieagentur Bremen-Bremerhaven (WAB) spannend gefunden.
2019 war die Zeit dann endgültig reif. „Wenn nicht jetzt, wann dann“, sagte sich der inzwischen 60-Jährige und kündigte nach drei Jahren WAB, um zusammen mit André Kiwitz und Horst Mangels das Start-up Green Fuels für Wasserstoff-Projekte im Mobilitätssektor zu gründen. Ihr Ziel: „Wir wollen Wasserstoff in der Öffentlichkeit erlebbar machen und damit für mehr Akzeptanz und den Umbau unserer Energiearchitektur zu sorgen“, so Wellbrock.
Ihr bisher größtes Projekt ist der Bau von Bremerhavens erster öffentlicher Wasserstofftankstelle am Standort „Zur Hexenbrücke“ unweit des Autobahnzubringers zur A27. Ab dem Sommer diesen Jahres können auf dem 2.500 Quadratmeter großen Grundstück direkt neben dem Betriebshof von Bremerhaven Bus zunächst im Testbetrieb deren Busse und anschließend auch Lkws sowie Pkws hier H2 tanken. Damit dies möglich ist gibt es zwei unterschiedliche Zapfsäulen, eine mit 350 bar für Nutzfahrzeuge und die andere mit 700 bar für Pkws.
Insgesamt können dort innerhalb von 24 Stunden 1.200 Kilogramm H2 vertankt werden. Die Besonderheit: Die Tanks werden mit regional produziertem grünen Wasserstoff gefüllt, während in der Bundesrepublik bisher vor allem grauer Wasserstoff durch Aufspaltung von fossilem Erdgas mit entsprechenden CO2-Emissionen hergestellt wird. „Uns war wichtig, eine grüne Lieferkette aufzubauen“, unterstreicht der Geschäftsführer. „Außerdem wollten wir die Komplexität gering halten.“
Wasserstoff wird verdichtet auf 300 bar
Deshalb stehen nun nur knapp acht Kilometer von der Wasserstofftankstelle am Grauwallring im Industriegebiet Speckenbüttel unweit des Containerterminals im Bremerhavener Überseehafen auf dem Grundstück von Wellbrocks Partnern zwei Elektrolyseure mit einer Leistung von insgesamt zwei Megawatt. „Sie können pro Tag rechnerisch 900 Kilogramm Wasserstoff produzieren“, so Wellbrock. Der Strom dafür stammt aus einem bereits vor zehn Jahren errichteten Windrad mit einer Leistung von 3,2 Megawatt. Der Wasserstoff wird im Kompressor von 30 bar auf 300 bar verdichtet.
Mithilfe von zwei Wechseltrailern wird der Wasserstoff dann in zwei 20 Fuß großen Trailern mit jeweils etwa 300 bis 400 Kilogramm Wasserstoff zur künftigen Wasserstofftankstelle transportiert. Zur Einordnung: Der Tank eines Busses fasst etwa 25 bis 30 Kilogramm, der eines Pkws fünf bis sechs Kilogramm, während im Lkw-Tank Platz für 50 Kilogramm Wasserstoff ist. „Wir könnten aber auch auf 500 bar verdichten und dann 500 Kilogramm Wasserstoff transportieren oder 40-Fuß Trailer einsetzen, die die doppelte Menge fassen“, erläutert Wellbrock.
Da all das Neuland ist, haben sich sieben Firmen zum Gemeinschaftsprojekt HY.City.Bremerhaven zusammengeschlossen, das vergangenes Jahr mit dem in Höhe von 10.000 Euro dotierten Bremer Umweltpreis ausgezeichnet wurde. Außer Green Fuels sind dies das Energie- und Chemieunternehmen Diersch & Schröder, deren Tochter UTG Unabhängige Tanklogistik sowie der integrierte Energieversorger GP Joule aus Reußenköge in Schleswig-Holstein. Des Weiteren sind die unter anderem auf Tiefbau spezialisierte Seier-Gruppe sowie Grube-Bau als zukünftiger Betreiber von Wasserstoff-Lkw und Bremerhaven Bus beteiligt.
Kapazität für bis zu 34 Busse
Noch werden die derzeit sieben Busse von Bremerhaven Bus mit einer mobilen Tanklösung mit einer Reichweite von 400 Kilometer mit grünem Wasserstoff betankt, der aus Reußenköge stammt. Künftig ist das Unternehmen mit dieser Flotte von im Bremerhavener Nahverkehr eingesetzten Wasserstoffbussen ein fester Abnehmer des direkt vor Ort erzeugten grünen Wasserstoffs und wichtig für die Grundauslastung. Im nächsten Schritt soll die Zahl der Busse bei Bremerhaven Bus auf mindestens zehn steigen. Die Kapazität der Elektrolyseanlage reicht für eine tägliche Betankung von bis zu 34 Bussen.
Der Hochlauf soll über drei Jahre erfolgen, denn noch ist die Zahl der Wasserstofffahrzeuge in Deutschland überschaubar. So waren nach Angaben der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (Now) im vergangenen Jahr 142 Brennstoffzellenbusse in Betrieb – deutlich mehr als die 95 im Vorjahr. Daimler Truck baut derzeit eine kundennahe Erprobungsflotte von Mercedes-Benz GenH2 Trucks, die ab Mitte 2024 von Unternehmen wie Amazon, Air Products, Holcim, Ineos und Wiedmann & Winz genutzt werden sollen, um erste Erfahrungen im Langstreckentransport mit Brennstoffzellen-Fahrzeugen zu sammeln.
Ähnlich ist es bei Wasserstofftankstellen, von denen es nach Angaben der Webseite h2.live in der Bundesrepublik derzeit erst 89 gibt – im Vergleich zu über 14.000 Tankstellen für die herkömmlichen Kraftstoffe Benzin und Diesel.
In das jetzige Projekt inklusive Tankstelle, Elektrolyse und Trailer haben die Unternehmen insgesamt 12,7 Millionen Euro investiert. Unterstützt wurden sie mit Fördergeldern des Bunds in Höhe von 5,5 Millionen Euro. Welche Fördermittel nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur unzulässigen Verschiebung nicht genutzter Kreditermächtigungen für den Kampf gegen die Pandemie in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für weitere Projekte zur Verfügung stehen ist derzeit ungewiss. Selbst zuvor habe jedoch die Bankenfinanzierung zu den größten Herausforderungen gehört, sagt Wellbrock. „Und auch über die Abstimmung der Gewerke und die Zeitplaneinhaltung haben wir viel gelernt.“
Fest steht, dass HY.City.Bremerhaven neben grünem Methanol etwa für das neue Forschungsschiff „Uthörn“ des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) auch weitere Pläne für Wasserstoff hat. So erfolgt derzeit die Vorplanung für fünf weitere Tankstellen. Denkbar ist auch die Betankung der Loks der Hafeneisenbahn von bremenports mit Wasserstoff: „Bis zum Hafen sind es nur eineinhalb Kilometer“, betont Wellbrock. „Dafür, aber auch für die Versorgung weiterer Tankstellen in Bremerhaven wäre eine Pipeline von zehn Zentimeter Durchmesser, die mittels Horizontalbohrung gebaut werden kann, denkbar“, so Wellbrock. „Das Know-how dafür haben wir jetzt.“
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