Zu Besuch an Bord der Uthörn

Sie ist der neue Stolz des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven: Die „Uthörn“ wird als erstes deutsches Seeschiff mit Methanol betrieben – und das quasi klimaneutral, wenn dieses grünen Ursprungs ist. Ihr Bau wurde vom Bund mit knapp 14,5 Millionen Euro gefördert. Mitte April startet die „Uthörn“ zu ihrer ersten Fahrt. Auch wenn sie den Namen ihrer Vorgängerin übernommen hat. Die neue „Uthörn“ ist weit mehr als nur ein Ersatz für das 1982 vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) in Dienst gestellte Forschungsschiff. Dass das erneut nach der kleinen Sylter Nebeninsel benannte Schiff aber eine Weltneuheit wird, war zunächst gar nicht geplant.

„Ursprünglich hatten wir uns für einen diesel-elektrischen Antrieb mit zwei Motoren entschieden“, erinnert sich Michael Klages, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Logistik und Forschungsplattformen am Alfred-Wegener-Institut Helmholtz - Zentrum für Polar- und Meeresforschung, der für das Neubauprojekt verantwortlich ist. Als das Designbüro SDC aus Hamburg gerade mit den ersten Entwürfen angefangen hatte, gab es eine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, die von der damaligen schwarz-roten Bundesregierung wissen wollte, wie sie die Schiffsemissionen reduzieren wolle. „Das Bundesministerium für Bildung und Forschung entschied daraufhin, dass bei eventuellen Neubauten LNG oder Batterieantrieb zum Einsatz kommen sollten“, erzählt Klages.

 

Da das Schiff für die erforderlichen LNG-Tanks hätte acht Meter länger und damit auch teurer werden müssen, fiel die Wahl auf den Antrieb mit Methanol. Grünes Methanol ist klimaneutral, bei grauem Methanol bleibt der Vorteil, dass im Gegensatz zu Dieselantrieb keine Rußpartikel ausgestoßen werden und auch die Emissionen von Schwefel- und Stickoxiden erheblich reduziert sind. Ein weiterer Vorteil: Bakterien verstoffwechseln Methanol sofort, sollte es bei einem Unfall ins Wasser gelangen. Zur Zeit der Planung wurde Methanol jedoch in der Schifffahrt nur experimentell genutzt. „Als wir der BG Verkehr vor vier Jahren unsere Idee vorstellten, waren die Mitarbeiter begeistert, sagten uns aber auch, dass wir etwas früh dran seien und dass das auch für sie Neuland sei“, erinnert Klages.

Rund um die Uhr bewacht

Fragt man Kapitän Dirk Jardner nach den Besonderheiten fällt ihm als Erstes der verbindliche Wochenkurs für alle Crewmitglieder ein: „Da es noch keine eigenständigen Regelungen für Schiffe mit Methanol-Antrieb gibt, unterliegen wir dem IGF-Code. Der ist eigentlich für LNG-Schiffe gedacht, obwohl Methanol deutlich weniger gefährlich ist“, berichtet Jardner. „Wenn also kurzfristig Ersatzbesatzung benötigt wird, können wir nur entsprechend geschulte Mitarbeiter an Bord nehmen.“ Zudem müsse das Methanolschiff rund um die Uhr bewacht werden. Das sicherzustellen, sei ebenfalls ein Novum.

Um die Sicherheit zu gewährleisten, gibt es doppelte Rohrleitungen. Durch ein inneres Rohr wird das Methanol geführt, durch ein äußeres Rohr strömt Stickstoff mit 0,3 bar Überdruck. „Auf diese Weise wird verhindert, dass sich das Methanol mit Luftsauerstoff vermischt und daraus ein explosives Gasgemisch entsteht“, erläutert Klages. „Wenn Überdruck entsteht, kann das Methanol-Stickstoffgemisch über den Ventmast, eine Art Schornstein zur Be- und Entlüftung, entweichen. Mit 15 Meter ist dieser so hoch, dass selbst im Falle einer Explosion keine Menschen oder das Schiff zu Schaden kommen würden.“ Aber ohnehin gelte: „Jedes Benzin-Luft-Gemisch ist gefährlicher.“

Für den Betrieb mit Methanol müssen die Tanks für die gleiche Reichweite doppelt so groß sein wie für ein konventionell mit Marinediesel betriebenes Schiff.
Die Uthörn ist mit technischer Ausrüstung für Labor, Antrieb und Kombüse umfassend ausgerüstet.

Seit ihrer Taufe im November 2022 wurde die auf der Fassmer Werft in Berne an der Weser gebaute „Uthörn“ ausgiebig getestet, zukünftig wird sie unter anderem bei Fahrten zwischen Helgoland und Cuxhaven eingesetzt. „Diese jeweils dreitägige sogenannte Schnittfahrt wird seit rund 60 Jahren monatlich vom AWI durchgeführt und heißt so, weil das Meer entlang einer nahezu geraden Linie, eines Schnittes, an den immer gleichen Stellen vermessen und analysiert wird“, erklärt Klages.

Weitere Einsatzarten des Forschungskutters neben dem Monitoring des physikalischen, chemischen und biologischen Zustands sind Universitätskurse für Studierende vor Helgoland und sonstige wissenschaftliche Projekte. Überdies dienen die Fahrten der „Materialversorgung“ von wirbellosen Tieren und Makroalgen für ausländische Abnehmer sowie der Entnahme frischen Seewassers vor Helgoland mithilfe der rund dreißig Kubikmeter fassenden Laborseewassertanks für die Aquarienanlage in Bremerhaven.

Fahrtgebiet ist überwiegend die Deutsche Bucht, abends liegt das Schiff in der Regel an der Pier, etwa in seinem Heimathafen auf Helgoland. Zur Crew gehören neben dem Kapitän der Chief und drei Decksmatrosen, von denen einer für die Kombüse verantwortlich ist. An Bord gibt es Einzelkammern für die Besatzungsmitglieder und zwei Doppelkabinen für die Wissenschaftler. Zugelassen ist beispielsweise Studenten.

Wer das erste Mal an Bord ist, kann weitere Besonderheiten entdecken, etwa die blauen Klappen auf dem Oberdeck, unter denen sich Twistlocks befinden. „Wir können maximal zwei 20-Fuß-Container oder vier 10-Fuß-Container beziehungsweise einen Mix daraus an Bord mitführen“, berichtet Klages. Das ermögliche Flexibilität mit Blick auf künftige Geräte, neue Messinstrumente und ferngesteuerte Fahrzeuge wie ROVs (remotely operated vehicles).

Auch eine Wärmepumpe ist an Bord

Zur Ausstattung gehören neben einem sogenannten Trockenlabor auch ein Nasslabor, in dem ein Kranzwasserschöpfer mit integrierter CTD (conductivity, temperature, depth) untergebracht ist. Mit der CTD können über die Leitfähigkeit des Wassers der Salzgehalt und die Temperatur in verschiedenen Tiefen gemessen werden. Hier steht auch ein sogenannter Moon Pool, auch Hydrographenschacht genannt. Dabei handelt es sich um ein verschließbares Loch von etwa einem Meter Durchmesser, das aus dem Labor heraus den direkten Zugang zum Wasser ermöglicht, etwa um Wasserproben zu entnehmen und Messungen durchzuführen.

Erstmals wird mit der „Uthörn“ auf einem Schiff eine Wasser-Wasser-Wämepumpe zum Heizen und Kühlen eingesetzt.  Im Vergleich zu einem elektrisch betriebenen Heizkessel kommt die Anlage mit einem Fünftel der Energie aus.

Blick von der Brücke auf die Anrti-Roll-Tanks: Die mit Frischwasser gefüllten Anti-Roll-Tanks dienen der Stabilisierung des Schiffes und sollen das Rollen des Schiffs bei Seegang verhindern.
Erstmals wird mit der „Uthörn“ auf einem Schiff eine Wasser-Wasser-Wämepumpe zum Heizen und Kühlen eingesetzt. Im Vergleich zu einem elektrisch betriebenen Heizkessel kommt die Anlage mit einem Fünftel der Energie aus.

Weitere Besonderheiten sind etwa der A-Galgen am Heck, mit dem die Besatzung schwere Fischereinetze und Messgeräte ausbringen und aus dem Wasser holen kann, ein Fächersonar, das beim Überfahren ein 3D-Geländemodell erstellt. Des Weiteren gibt es ein sedimentprofilierendes Sonarsystem und einen Acoustic Doppler Current Profiler (ADCP), also ein hydroakustisches Instrument, das während der Fahrt die Geschwindigkeit der Meeresströmung und ihre Richtung misst.

Hinzu kommt ein Fischereiecholot, das auf drei Frequenzen die Wassersäule beschallt, wodurch beispielsweise die ungefähre Größe von Fischschwärmen unterschiedlicher Arten bestimmt werden kann, was Bestandsabschätzungen ermöglicht. Zudem bietet das Schiff auch die Möglichkeit, AUVs (autonomous underwater vehicles) beispielsweise für die Inspektion von Pipelines auszusetzen und nach erfolgreicher Mission wieder aufzunehmen.

Noch bunkert die „Uthörn“ graues Methanol, da bisher auf dem Markt noch kein grünes, also fossilfrei erzeugtes, verfügbar ist. Doch das soll sich schnellstmöglich ändern. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr seit Anfang 2023 geförderten Projekts „Marisynfuel“ sind die Entwicklung und der Aufbau einer Anlage zur synthetischen Herstellung von grünem Methanol im Demonstrationsmaßstab in Bremerhaven geplant.

Auf dem Weg zum grünen Methanol

Die Uthörn wird aktuell mit dem Methanolkraftstoff MD97 betrieben, der zu ca 97% aus Methanol besteht und zu ca. 3% aus Additiven zur Schmierung der Einspritzkomponenten und zur Verbesserung der Zündeigenschaften. Um trotz der gering dosierten Additive (z.T. nur 0,1%) eine homogene Kraftstoffmischung herzustellen, hat die UTG Unabhängige Tanklogistik GmbH eine spezielle Bunker-und Blendanlage entwickelt. Im "Marisynfuel" Projekt hat das Unternehmen die Aufgabe der Lagerung und Bebunkerung der Uthörn übernommen und liefert den Kraftstoff MD 97. 

Die Entwicklung und der Aufbau einer Anlage zur synthetischen Herstellung von grünem Methanol im Demonstrationsmaßstab ist in Bremerhaven geplant. Für die Herstellung soll ein kürzlich im dortigen ttz (Technologie-Transfer-Zentrum) entwickeltes Verfahren zur Abscheidung von CO2 aus Abgasen und seine Speicherung genutzt werden. In einem noch zu entwickelnden Reaktor werden dann dieses CO2 und Wasserstoff in einem thermischen Prozess zu Methanol verbunden.

Bis nach Tasmanien, mit dem Bremen zum Thema Wasserstoff eng zusammenarbeiten will, hat sich inzwischen herumgesprochen, dass die „Uthörn“ das erste Forschungsschiff mit nachhaltigem Methanol-Antrieb ist. Klages: „Wir haben eine Anfrage aus Hobart bekommen, dass sie sich gern über die ‚Uthörn‘ informieren lassen möchten.“

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