Ausstellung in der Arbeitnehmerkammer zeigt Fotografien aus dem Neustädter Hafen
Normalerweise hängt das großformatige Foto mit den beiden orange-behelmten Hafenarbeitern in einem kleinen Konferenzraum im Schuppen 21 des Neustädter Hafens. Dort ist es zu sehen zwischen zwei Übersichtsaufnahmen des Hafens, von Drohnen aufgenommen. Die Drohnenbilder stammen nicht von Sven Riekers, dem Leiter des Vertriebs in der BLG Cargo Logistics, doch das Foto mit den beiden entspannt lachenden Arbeitern ist von ihm: „Dieses Bild finde ich sehr authentisch, es ist eines meiner Lieblingsbilder“, erzählt er. „Hier im Hafen herrscht eine raue Herzlichkeit“, meint er, und eben dieses Herzliche, dieses ehrliche Lächeln des Kollegen, der gerade dabei ist, die Stückgutliste abzuhaken, sei charakteristisch für das Umfeld.
Dieses Bild wird in der Ausstellung, die am 20. Juni in der Arbeitnehmerkammer in der Bürgerstraße eröffnet wird, nicht zu sehen sein, doch fünf Motive von Sven Riekers mit unterschiedlichen Arbeitssituationen haben ihren Weg in die Ausstellung mit dem Titel „Festgemacht“ gefunden. In dieser Ausstellung finden sich vor allem die Bilder von Hans Brockmöller, der auch als Chronist der Bremer Häfen bekannt war. Der 1911 geborene Hans Brockmöller sei seit Beginn der Fünfzigerjahre professionell als Fotograf unterwegs gewesen, sagt Wilfried-Brandes-Ebert vom Hafenarchiv: „Er war zum Beispiel Hausfotograf der Zeitschrift „Weserlotse“, und fotografiert habe er „das volle Programm im Hafen: Schiffe, den Umschlag, die Hafenarbeiter.“ Hans Brockmöller habe unter Kollegen auch einen Spitznamen gehabt – „der Artist“ sei er genannt worden: „Für ein gutes Foto war er bereit, auf Schuppendächer und Kranausleger zu klettern“, erzählt Wilfried Brandes-Ebert, und insgesamt sei das Werk Hans Brockmöllers ein wertvolles Stück Zeitgeschichte.
Und um der historischen Perspektive einen aktuellen Aspekt entgegenzusetzen, werden den 70 Aufnahmen Brockmöllers nun sieben Aufnahmen des Fotojournalisten Karsten Klama und eben die fünf Bilder Sven Riekers zur Seite gestellt. Dabei habe es sich eher zufällig ergeben, dass Wilfried Brandes-Ebert die Bilder Brockmöllers wiederentdeckt hat: Brockmöller selbst ist 1977 durch einen Unfall ums Leben gekommen, sein Haus sollte verkauft werden. „Ein glücklicher Umstand“, wie Wilfried Brandes-Ebert dann auch sagt.
Und doch geriet der fotografische Nachlass Brockmöllers ein wenig in Vergessenheit, wie Jörg Hendrik Hein, Kulturreferent der Arbeitnehmerkammer Bremen, berichten kann: „Erst durch Ausstellungen im Hafenmuseum und im Vegesacker Geschichtenhaus wurde Hans Brockmöller wieder präsent“, und so habe es sich ergeben, dass man sich erneut mit der Arbeit Brockmöllers beschäftigt habe. Im Hafenmuseum Speicher XI übrigens habe die Ausstellung treffend „Der Artist“ geheißen: „Da fragte man sich mitunter schon, wie die Bilder aufgenommen wurden.“ Im Rahmen der Ausstellung in der Arbeitnehmerkammer sei aber eher darauf geachtet worden, den Menschen und die verrichtete Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen, erzählt Hein: „Darauf haben wir Wert gelegt. Es gibt zum Beispiel schöne Porträtaufnahmen von Kran- und Schiffsbesatzungen.“ Daneben werde aber auch sichtbar, wofür der Bremer Hafen stand: „Für den Umschlag von Kaffee, Baumwolle, aber auch für den Umschlag von Autos und sogar Zügen“, erzählt Jörg Hendrik Hein, „doch immer sind dort Menschen dabei, die etwas tun. Da kann man vieles entdecken und vieles kann man auch als eine Art Wimmelbild lesen.“
Der gelernte Schifffahrtskaufmann Sven Riekers ist übrigens seit 2009 bei der BLG, zuvor hat er bereits im Industriehafen gearbeitet. Sowohl die Häfen als auch die Fotografie interessieren ihn schon lange Jahre: „Ich habe da eine gewisse Vorprägung durch meinen Vater, ein leidenschaftlicher Hobbyfotograf. Zum Fotografieren waren wir früher häufig im Europahafen – an der Kaje spazieren zu gehen und die Schiffe anzuschauen, das hat mich geprägt.“ Aber auch der Überseehafen war Ziel der fotografischen Exkursionen und später dann, als sich diese Häfen langsam leerten, auch der Neustädter Hafen. Schiffe, Krane und andere Hafenmotive wurden dann auf Film gebannt, „das sieht ja dann immer gut aus“, meint Riekers, und er weiß, wovon er spricht: „Hobbyfotograf war und bin ich schon immer gewesen und da kommt hier oft mal Hobby und Beruf zusammen. Ich habe hier viele Motive, doch leider komme ich nicht dazu, hier regelmäßig zu fotografieren.“ Denn dafür werde der Vertriebsleiter schließlich nicht bezahlt – „sondern dafür, Tonnen ranzuholen.“
Vieles werde eher nebenbei fotografiert, etwa dann, wenn er mit einem Kunden zu einem Schiff geht. „Da habe ich immer eine Kamera dabei“, genauer gesagt ein Smartphone: Das werde zwar mitunter belächelt, doch ein Handy gebe eine Menge her. „Und am Ende entscheidet nicht das Equipment, sondern das Motiv.“ Neulich habe er sogar mal ein Handfoto von ihm bei einem Kunden gesehen, vergrößert auf 60 mal 80 Zentimeter, und er betont noch einmal: „Entscheidend ist das Motiv – und hier im Neustädter Hafen gibt es die Motive.“ Und diese Motive bestehen nicht nur aus Kranen oder Schiffen - „ich habe häufig Menschen auf dem Bild. Das unterscheidet den Stückguthafen auch vom Containerhafen. Im Containerhafen sieht ein Terminal relativ leergefegt aus, doch bei uns ist das anders. Bei uns ist der Mensch Mittelpunkt der Arbeit, das geht nicht automatisiert.“ Deshalb sehe man bei ihnen im Hafen auch mal Menschen, „und ich bin mit meinen Bildern bemüht, dass die Menschen hier auch sichtbar sind.“
Menschen bei der Arbeit also, wobei Sven Riekers auch Übersichtsaufnahmen des Hafens gemacht hat, doch es ist eben sein persönliches Ansinnen: Die Menschen müssen gesehen werden. „Im Containerhafen von Bremerhaven etwa sieht man, dass sich alles bewegt, doch man sieht keine Menschen“, erklärt er den Unterschied. Hier im Neustädter Hafen sei das anders. Sven Riekers meint, dass das Motiv eher ihn aussuche als umgekehrt, „das springt mich irgendwie an“, sagt er, „wenn man viel fotografiert, dann sieht man einfach ein gutes Motiv. Der Fotografiermodus läuft im Hintergrund immer mit.“
Und nicht nur der persönliche Fotografiermodus ist stets dabei, auch Kameras waren dauerhafte Begleiter des in Arsten lebenden Familienvaters: „Ich hatte schon immer irgendeine Kamera gehabt. Alle zwei bis drei Jahre hat mein Vater sein Equipment erneuert und die alte Ausrüstung habe ich dann übernommen.“ Seine ersten Bilder seien noch in Schwarz-weiß gewesen, erinnert er sich, konkret an seine erste Kamera aber nicht mehr. „Es gab aber dann die erste Kompaktkamera und dann eine Spiegelreflex“, und eine Spiegelreflexkamera nennt er bis heute sein Eigen. „Da es in diesen Bereich keine wesentlichen Neuerungen gibt, habe ich die jetzige Kamera auch bereits seit Jahren“, meint er.
Vielleicht ist es ein etwas abgeschmacktes Wortspiel, doch Häfen haben es Sven Riekers anscheinend angetan – auch Flughäfen: „Ich bin auch Flugzeugspotter“, erzählt er, „erst gestern habe ich ein Flugzeug fotografiert, eine Boeing 767 einer Charterfirma.“ Die Flugzeuge habe er immer gesehen, damals, als er noch in Kattenturm gewohnt habe, und in den Neunziger- und den Zweitausenderjahren, da habe ihn die Luftfahrt fasziniert. „Eine große Vielseitigkeit hat es da gegeben, damals gab es noch mehr Flugzeuge sowjetischer Bauart und überhaupt mehr Flugzeugtypen.“
Ansonsten eben auch viel Familienfotografie, das Meer in seiner Schönheit und – verlassene Orte. „Da besteht ein geschichtliches Interesse, ich suche die Zeugnisse und die Spuren der alten DDR. Das Thema hat mich bereits vor der Wende interessiert, und erst recht danach. Dass man auch nach über 30 Jahren noch die Spuren finden kann, ist faszinierend. Die Spuren der Vergangenheit sind interessant, geschichtlich und fotografisch.“
Aber zurück zum Hafen – Schiffe, Hafen, diese Faszination und diese Begeisterung seien immer geblieben, erzählt er: „Wenn ich hier aus dem Fenster schaue und es kommt ein großes Schiff, dann wirkt das für mich wie die große, weite Welt. Die Schifffahrt hier hat immer noch eine gewisse Romantik, so ein bisschen ,Feeling' eben, was bei Containerschiffen ein wenig verloren gegangen ist. Bis zu 1,5 Millionen Tonnen Stückgut aller Art schlagen sie im Neustädter Hafen pro Jahr um: Stahl, Forstprodukte und Projektladungen, also Maschinen- und Windkraftanlagen, Röhren sowie Kisten. Kein genereller Wachstumsmarkt, aber über die Jahre ein stabiler Markt sei das Stückgutgeschäft, und da derzeit durch die Veränderungen im Energiesektor viel umgebaut werde, meint Sven Riekers: „Der Wandel ist gut, weil er Hafenkapazitäten fordert.“
Und trotz seiner gesammelten Erfahrungen im Beruf und als Hobbyfotograf – Sven Riekers blickt einer kleinen Premiere entgegen: „Das ist das erste Mal, dass in einer Ausstellung meine Bilder gezeigt werden. Hätte ich das geahnt, hätte ich vielleicht künstlerischer fotografiert. Aber vielleicht möchte man ja auch gerade das zeigen: Menschen bei der Arbeit.“
Die Ausstellung „Festgemacht. Der Hafen in Fotos von Hans Brockmöller, Karsten Klama und Sven Riekers“ ist vom 20. Juni bis zum 20. September in der Arbeitnehmerkammer Bremen in der Bürgerstraße 1 zu sehen. Die Öffnungszeiten sind von Montag bis Donnerstag von 8 bis 18.30 Uhr und Freitag von 8 bis 13 Uhr. Der Eintritt ist frei.
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