Den Hafen im Takt halten – Zukunftspläne für die Hafenbahn 

Unterwegs mit Carsten Rogge, Leiter der Abteilung Hafenbahn bei bremenports

Portrait Carsten Rogge
Carsten Rogge, Abteilungsleiter Hafenbahn

Wenn er über die Schiene spricht, blitzt bei Carsten Rogge sofort Begeisterung auf. Mit 62 Jahren erzählt er von seiner Karriere, als hätte er sie gestern begonnen – mit der gleichen Neugier und dem gleichen Tatendrang wie am Anfang. „Während meiner Schulzeit habe ich im Straßenbau gejobbt, auf der Rickmers Werft in der Logistik, später im Mercedes-Werk Bremen. Selbst ein Schiffspraktikum auf der Düsseldorf Express bei Hapag-Lloyd war dabei.“

Nach einer Banklehre und einem VWL-Studium in Kiel folgte der Einstieg bei der PTC Port & Transport Consulting, einer BLG-Tochter. Stationen in der Kontraktlogistik Automotive und in der Offshore-Logistik schlossen sich an. 2017 wechselte er zu bremenports, seit 2019 leitet er die Abteilung Hafenbahn. „Seitdem bin ich mit dem Thema Eisenbahn eng verbunden – und es lässt mich nicht mehr los.“

„Die Infrastruktur ist in gutem Zustand“

Er lehnt sich zurück, als er die Situation der Bremischen Hafeneisenbahn beschreibt. Stolz klingt mit, aber auch Wachsamkeit. „Insgesamt sind wir in einem guten Zustand. Wir konnten qualitative Defizite vergangener Jahre aufholen. Jetzt gilt es, dieses Niveau trotz knapper Haushaltsmittel zu halten.“

Und im europäischen Vergleich? „Mehr als 50 Prozent des Hinterlandverkehrs laufen im Containerbereich über die Schiene. Was den Autoumschlag angeht, sind es sogar gut 80 Prozent. Beudes sind Spitzenwerte. Insgesamt zählen unsere Container- und Autoterminals täglich rund 100 ein- und ausfahrende Züge. Das ist Logistik im Takt eines Uhrwerks.“

Bahngleise vom Containerterminal Bremerhaven.

Herausforderungen: Geld, Technik und Material

Doch das Uhrwerk braucht Pflege. „Die Unterhaltung der Gleisinfrastruktur kostet – und parallel sind die Kapazitäten bei Baufirmen und Materialien knapp, weil die DB mit Milliardenbeträgen ihr Netz saniert.“ Hinzu kommt die nächste große Aufgabe: die Digitalisierung. „Wir arbeiten vielerorts noch mit Relaistechnik aus den 60er- und 70er-Jahren. Die ist zwar robust wie ein VW-Käfer, aber irgendwann müssen wir dennoch auf digitale Stellwerke umstellen. Das wird ein enormer Kraftakt.“

Sein Appell ist klar: „Investitionen in Häfen dürfen nicht allein Ländersache bleiben. Über 90 Prozent des deutschen Exports im globalen Welthandel gehen über Seehäfen. Es wird Zeit, dass der Bund seine Verantwortung für die Häfen auch finanziell annimmt.“

Schiene als Klimafaktor

Auch für die Klimaziele spielt die Hafenbahn eine tragende Rolle. „Unser hoher Eisenbahnanteil ist ein echter Wettbewerbsvorteil. Verlader wie IKEA, Amazon oder Tchibo achten beim Einkauf von Frachten genau auf den Carbon Footprint. Und dieser „Fußabdruck“ soll auch auf den Hafen-Schienen selbst noch weiter verbessert werden: „Die Rangierloks in den Häfen, die die Züge zu den Terminals bringen, können auf der letzten Meile nicht elektrisch fahren, da die Waggons ja von Kränen oder Van-Carriern beladen werden – eine Oberleitung wäre da im Weg. In Bremerhaven wird deshalb schon seit einiger Zeit grünes HVO als Dieselersatz eingesetzt.“ Dies sei aber nur ein „Brückentreibstoff“  – mittelfristig werde man in Bremerhaven einen echten Vorteil des Standorts nutzen: „Bei uns sind anders als in anderen Häfen tatsächlich bis zur letzten Meile alle Strecken elektrifiziert, so dass die letzten Teilstücke batterieelektrisch gefahren werden könnten. Die Hersteller von Loks arbeiten an solchen Konzepten.“ 

Besonders lebendig wird Carsten Rogge, wenn es um den Bahnhof Speckenbüttel geht. „Das ist unser Herzschlag. Jeder Zug, der in die Häfen hinein oder aus ihnen herausfährt, passiert Speckenbüttel.“

Schon vor über hundert Jahren wurde der Bahnhof für den Güterverkehr eingerichtet, in den 1980er-Jahren dann zu seiner heutigen Dimension ausgebaut. „Heute verfügen wir dort über 16 Gleise – die 30er- und 40er-Gruppen - plus Umfahrungsgleise. Ergänzend kamen später die Gruppen Imsumer Deich und Weddewarder Tief hinzu. Damit haben wir die Schlagader der Hafenbahn immer weiter gestärkt.“

Aber wie jedes Herz braucht auch Speckenbüttel einen Extraschub, um fit für die Zukunft zu bleiben. „Mit der Gemini Kooperationen zwischen Hapag-Llyod und Maersk rechnen wir mit weiterem Zuwachs. Deshalb investieren wir in den Neubau einer weiteren Gleisgruppe – der 20er-Gruppe.“

Das klingt nüchtern, ist aber ein echtes Großprojekt. „Über die nächsten Jahre fließen 56 Millionen Euro in Speckenbüttel. Sieben zusätzliche Gleise erhöhen die Kapazität um fast 50 Prozent – das ist, als hätten wir dem Herzen ein zweites, kräftiger schlagendes Kammerstück eingesetzt.“

Aufnahme von einer Bahnstrecke in Bremerhaven mit einem Autotransport
Bahnstrecke in Bremerhaven mit einem Autotransport.

Und es geht nicht nur um Stahl und Schotter. „Parallel binden wir die neue 20er-Gruppe und die bestehenden 30er-Gleise an ein digitales Stellwerk der DB an. Damit wird Speckenbüttel Teil der digitalen Zukunft.“

Damit fügt sich das Projekt in ein größeres Programm ein: die Modernisierung des Hochleistungskorridors Bremen–Bremerhaven. „Die DB erneuert nicht nur den Oberbau, sondern modernisiert auch die gesamte Leit- und Sicherungstechnik. Ab 2028 wird das Stellwerk Speckenbüttel nur noch eine Hülle sein – die Steuerung läuft dann digital, wahrscheinlich aus Bremen oder Hannover.“

Sein Fazit: „Die Digitalisierung erlaubt eine dichtere Zugfolge. Mehr Züge können auf derselben Strecke fahren. In der Praxis ist das fast so, als hätten wir ein zusätzliches Gleis gebaut – nur ohne jahrzehntelange Genehmigungsverfahren.“

Aufnahme vom Schienennetz der Hafenbahn in Bremerhaven
Schienennetz der Hafenbahn in Bremerhaven.

Vom LEGO-Zug ins Berufsleben

Seine Eisenbahn-Geschichte begann – wie bei vielen – im Kinderzimmer. „Mein erster Kontakt war meine LEGO-Eisenbahn, die durchs Wohnzimmer fuhr. Dazu baute ich Kajen, Schiffe und Umschlagsflächen. Eigentlich wollte ich Nautiker werden, aber das ging als Brillenträger damals nicht.“ Ein Musiklehrer habe ihn sogar zum Berufsmusiker machen wollen. „Ich spielte recht gut Horn im Jugendsinfonieorchester – aber letztlich hat mich die Logistik gepackt.“

Heute nennt er sich noch immer augenzwinkernd „Rookie“ im Eisenbahnbereich. „Ich lerne jeden Tag von Kollegen, die teils seit bis zu 50 Jahren in der Branche tätig sind. Unser stellvertretender Betriebsleiter ist gerade mit 79 in Rente gegangen – nach mehr als einem halben Jahrhundert bei der Bahn. Dieses Sprichwort stimmt einfach: Einmal Eisenbahner, immer Eisenbahner. Und wo sonst kann man so viel Ware so schnell und sicher über Land bewegen?“